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Der Tod wird kommen (2024)

Antiker Stoff neo-noir verwebt

„Ein Liebesdienst gegenüber einem Genre, das nicht so bleiben kann“. So bezeichnete der Regisseur Christoph Hochhäusler seinen neusten Film Der Tod wird kommen (im Original: La Mort Viendra) nach der Deutschland­premiere auf dem Internationalen Filmfestival Mannheim Heidelberg (IFFMH). Hochhäusler, ein Filmkünstler der Berliner Schule, ist u.a. für Unter dir die Stadt (2010) bekannt, begeisterte jedoch bereits 2003 mit Milchwald auf der Berlinale, vor allem das Französische Publikum. Sein neuster Neo-Noir-Gangsterfilm ist die sechste Zusammenarbeit mit der Kölner Produktion Heimatfilm, welche zuvor auf dem Locarno Film Festival im August seine Weltpremiere hatte. Besonders an diesem Werk ist, dass es, bis auf einen einzigen deutschen Satz, sein erstes rein frankophones Projekt ist, was den Regisseur und das Produktions­team vor neue Herausforderungen gestellt hat. So sind weder Handlungs­ort noch die Schauspieler*innen deutsch. Luxemburg und Brüssel, das „Babylon der Sprachen“ laut Hochhäusler, seien in dem Genre nicht nur unschuldig, sondern unter­repräsentiert, also wollte er das ändern.

Gelungen ist ihm das durch die von Intrigen und Blutbädern begleitete Geschichte der Profi-Auftragskillerin Tez, gespielt von der französisch-belgischen Schauspielerin Sophie Verbeeck (bekannt aus Iris (2016). Sie wird vom berüchtigten Zuhälter-Gangsterboss Charles Mahr (Louis-Do Lencquesaing, bekannt aus Der Vater Meiner Kinder (2009) beauftragt, im Rahmen eines Rachekomplotts den Mörder seines Kuriers ausfindig zu machen, gerät jedoch in ein trügerisches, gegenseitiges Beschatten verschiedener Akteure. Thematisch wird damit der Polymnestor-Stoff aus der griechischen Antike aufgegriffen. Entlang gläserner Hochhäuser Brüssels, prunkvoller Kunstmuseen und verlassener Nicht-Orte zieht sich farblich ein markanter rot-blauer Faden, angelehnt an belgische Kennzeichen, welcher auch die Standpunkte der verschiedenen Akteure hervorhebt. Die Musik ist passend dazu abwechselnd fokussiert kühl oder beinahe hypnotisierend.

Hochhäuslers Intention ist es, mit diesem Film die konventionellen Archetypen des Gangsterfilms zu Grabe zu tragen und das Genre zu trans­formieren. Ein erfrischender Gedanke, dessen Umsetzung allerdings schwer ist. Die Emotionen der beinahe allegorischen Figuren wirken zwar authentisch, werden jedoch auf eine Art und Weise dargestellt, welche die Frage nach ihrem Ursprung offen lässt. Die Dialoge zeichnet stellenweise die gleiche Problematik aus. Einer vergleichbaren inhaltlichen Leerstelle ist die Rolle der genretypischen mächtigen Italiener zum Opfer gefallen. Szenen mit ihnen gibt es aufgrund finanz­ieller Schwierigkeiten bei der Produktion nicht, wor­unter das Handlungs­verständnis leider leidet. So muss eine vollendete Trans­formation des Genres noch warten, denn ganz gelöst hat man sich vom maskulinen Image des sonst männlichen Auftragskillers nicht. Dazu kommt, dass die Homosexualität von Tez für die Handlung nicht von Relevanz ist, sondern lediglich die trans­formierende Intention unter­streicht. Fairerweise muss man bedenken, dass ein Trans­formations­prozess nicht mit einem Werk vollendet werden kann, sondern dauert. Hochhäusler bezeichnet es als einen “Kampf gegen die Zeit”, welchen er hiermit verkündet. Nichtsdestotrotz wurde das Bild  von Teilen des Publikums mit echten Gangsterklassikern wie Sergio Leone’s “Es war einmal in Amerika” (1984) verglichen, was Hochhäuslers Status als deutschen Ausnahmeregisseur bestätigt.


Allgemeine Filmdaten:

Originaltitel: La Mort Viendra

Länge: 101 Min.

FSK: 16

Sprache: Französisch, deutsche und englische Unter­titel

Produktion: Heimatfilm, Amour Fou, Tarantula

Produktions­land: Belgien, Luxemburg, Deutschland

Produktions­jahr: 2024

Regie: Christoph Hochhäusler

Drehbuch: Christoph Hochhäusler, Ulrich Peltzner

Musik: Nigji Sanges

Verfügbarkeit: IFFMH 2024; ab Mai 2025 in den bundes­weit in den Kinos