Girls Will Be Girls (2024)
Die erste Liebe und das Erwachsenwerden im Widerstand
Der Film Girls Will Be Girls von Regisseurin Shuchi Talati feiert seine Deutschlandpremiere im Rahmen des 73. Internationalen Filmfestivals Mannheim Heidelberg. Die internationale Koproduktion, an der Indien, Frankreich, die USA und Norwegen beteiligt sind, ist ein intensives und sensibles Drama, das sich auf einer emotionalen und gesellschaftskritischen Ebene mit dem Erwachsenwerden auseinandersetzt. Der Film, der 2024 veröffentlicht wurde, dauert 118 Minuten und wird in den Originalsprachen Englisch und Hindi gezeigt mit deutschen und englischen Untertiteln. Neben diesem Film ist Shuchi Talati auch für ihre beiden Kurzfilme A Period Piece (2019) und Mae and Ash (2013) bekannt.
Girls Will Be Girls erzählt die Geschichte der 16-jährigen Mira (gespielt von Preeti Panigrahi), die als erste Schülerin eines Elite-Internats zur Oberschülerin ernannt wird. Mit ihrer neuen Rolle geht die Aufgabe einher, ihre Mitschüler*innen zu disziplinieren und Regelverstöße zu melden – ein Zwiespalt, der sie selbst jedoch zunehmend betrifft. Als sie einem neuen, charmanten Mitschüler namens Sri begegnet, kommt sie zum ersten Mal in Kontakt mit ihren eigenen Gefühlen und ihrem Wunsch nach Freiheit und Selbstentfaltung. Diese Begegnung führt sie auf eine emotionale Reise des Erwachens ihrer Sexualität und der Rebellion gegen die starren Regeln des Internats.
Besonders eindrücklich ist die Beziehung zwischen Mira und ihrer Mutter Anila (gespielt von Kani Kusruti), die durch Kontrolle und Übervorsicht geprägt ist. Panigrahi bringt als Mira die zarte, aber mutige Seite zum Ausdruck, die ihren eigenen Weg finden will. Kani Kusruti verkörpert mit ihrer Rolle der Anila eine widersprüchliche Mutterfigur, die zwischen Fürsorge und Rivalität schwankt. Während Mira versucht, ihren eigenen Weg und ihre Identität zu finden, fühlt sich Anila durch ihre eigene unterdrückte Jugend und verpassten Chancen eingeschränkt, was oft zu Eifersucht und Kontrollverhalten führt. Die Dynamik zwischen ihr und der jungen Mira erzeugt eine intensive Spannung, die den Film trägt und zudem zeigt, dass der gesellschaftliche Druck auch über Generationen hinweg nachwirkt.
Auch ästhetisch beeindruckt der Film: Die Kameraführung von Ji-Hé Peng setzt die Welt des Internats und die Innenwelt der Figuren in stimmungsvollen Bildern um, die sowohl die Distanz als auch die Intimität der Figuren spiegeln. Die sanften, aber eindringlichen Aufnahmen betonen Miras Verletzlichkeit und ihre stille, aber stetige Rebellion.
Neben der visuellen Gestaltung und den schauspielerischen Leistungen sind auch die Themen und ihre gesellschaftliche Relevanz entscheidend für den Film. Der Film spielt in den späten 1990er Jahren, einer Zeit in Indien, die durch eine zunehmende Öffnung zur westlichen Kultur und neue wirtschaftliche Einflüsse geprägt war. Diese Veränderungen führten zu Konflikten zwischen traditionellen Werten und neuen Ideen, besonders im Bezug auf das Verhalten und die Freiheit von Frauen. Shuchi Talati zeigt, dass Miras Wunsch nach Freiheit universell und bis heute aktuell ist – sie steht stellvertretend für Frauen in vielen Kulturen, die für Selbstbestimmung kämpfen müssen.
Damit richtet sich Girls Will Be Girls primär an ein erwachsenes Publikum, das an tiefgründigen Erzählungen über weibliche Identität, Sexualität und die Dynamik zwischen Generationen interessiert ist. Die expliziten Szenen und der offene Umgang mit Tabuthemen wie Masturbation und jugendlicher Sexualität könnten für ein jüngeres Publikum ungeeignet sein.
Girls Will Be Girls ist mehr als nur eine Geschichte über das Erwachsenwerden. Talati spricht universelle Themen an, die weltweit relevant sind: die Freiheit von Mädchen und Frauen, die Herausforderungen der Emanzipation und das Aufbrechen von Rollenverständnissen. Damit schafft sie einen Film, der berührt und zum Nachdenken anregt.