Girls Will Be Girls (2024)
Eine geballte Ladung an Emotionen – Coming-of-age mit einem Hauch Feminismus
Die sechszehn-jährige Mira wird als erstes Mädchen zur Schulsprecherin ihres konservativen Internats im Himalaya ernannt; durch ihren Fleiß in der Schule, sowie ihrer Liebe zu Regeln scheint diese Aufgabe wie für sie gemacht zu sein. Mira versucht ihre Identität, sowie neu aufkommende Bedürfnisse in dieser strengen, von traditionellen Erwartungen geprägten Umgebung zu erkunden. Hierbei spielt auch ihre Mutter Anila eine wichtige Rolle, es entstehen komplexe Spannungen zwischen den beiden Frauen, die sich von Wut und Eifersucht bis hin zu Zärtlichkeit und Verbundenheit im Kampf gegen gesellschaftliche Zwänge erstrecken.
Das Debüt der Regisseurin Shuchi Talati, das bereits einen Publikumspreis gewonnen hat, stellt die Beziehung zwischen Mutter Anila und Tochter Mira mit einer unerschrockenen Ehrlichkeit dar, die intime Momente nicht scheut und Tabus bricht. In der Schule hat Mira unter anderen die Aufgabe ihre Mitschülerinnen an die Regeln zu erinnern und sie zu korrigieren, doch schon bald erfährt sie selbst die Unannehmlichkeiten dieser Beschränkungen und gerät in einen Konflikt mit ihren Bedürfnissen und ihrer Verantwortung. Während Mira jedoch trotzdem teilweise die Chance hat sich zwischen ihrer jugendlichen Unschuld und Sexualität zu bewegen, wird deutlich, dass ihre Mutter Anila diese Möglichkeit in ihrer eigenen Jugend nicht hatte. Vor allem in Bezug auf Miras Verbindung mit dem Jungen, in den sie sich verliebt, bemerkt man Wehmütigkeit und Neid in Anila, die ihre Macht als Mutter durchaus zu nutzen weiß, sodass die, sonst eher ruhige, Atmosphäre des Films öfters kurz unter emotionaler Spannung steht. Jedoch wird dies durch jugendliche Aufregung, Ungewissheit, Eifer und Neugier, die auch lustige Dialoge entstehen lassen, ausgeglichen. Den Schauspielerinnen Preeti Panigrahi (als Mira) und Kani Kusruti (als Anila) ist hierbei ein großes Lob auszusprechen, Panigrahi hat ohne viele Filmerfahrungen eine beachtliche Stärke in ihre Rolle gelegt und es geschafft, die vielen verwirrenden Gefühle einer heranwachsenden jungen Frau darzustellen. Kani Kusruti, die hingegen schon in vielen indischen Filmen und Serien gespielt hat, verkörpert die Rolle der Mutter Anila mit einer unvorhersehbaren Ausstrahlung, die ihren Charakter zwischen jugendlicher Verspieltheit und mütterlicher Autorität wechseln lässt, ohne, dass dies als aufdringlich oder zu auffällig wirkt.
Shuchi Talatis detailreicher Stil ist geprägt von einem tiefen Verständnis für die Nuancen weiblicher Identität und Zugehörigkeit sowie dem Wunsch nach Selbstbestimmung, während sie die patriarchalischen Strukturen der indischen Gesellschaft in den 1990er Jahren auf subtile, jedoch sehr kraftvolle Weise dekonstruiert. Die Natur Nord-Indiens eignet sich in einigen Szenen hervorragend, um einen Kontrast fernab dieser Zwänge zu bilden, indem sie mit Freiheit verbunden wird, einem Ort wo sich Mira und ihre erste Liebe ausprobieren können. Die Musik verleiht dem Film zusätzliche emotionale Tiefe durch teils sanfte, melancholische Töne und verstärkt andererseits auch das Spannungsfeld zwischen Tradition und Rebellion durch modernere indische Musik.
Girls Will Be girls ist ein interessanter und eindringlicher Film, der die Herausforderungen weiblicher Selbstentfaltung in Verbindung mit der Last gesellschaftlicher Erwartungen und Tabus thematisiert. Er eignet sich für jede*n Zuschauer*in, der sich gerne mit besagten Themen beschäftigen, jedoch eher weniger für ein Publikum mit Interesse an einer actionreichen Handlung. Für wenig Geld kann man den Film auch bereits bei Amazon Prime oder Apple TV streamen.
Allgemeine Filmdaten:
Originaltitel: Girls Will Be Girls
Regie: Shuchi Talati
Genre: Coming-of-age
Produktionsland: Indien, Frankreich, USA, Norwegen
Produktionsjahr: 2024
Sprache: Englisch, Hindi (mit deutschen und englischen Untertiteln)
Länge: 118 Minuten