Das „Rauhe Buch” der Stadt Nordhausen

Das sog. „Rauhe Buch“ der Reichsstadt Nordhausen am Harz wurde im Jahr 1350 von dem Stadtschreiber Heinrich Laran angelegt und bis weit in das 16. Jahrhundert hinein fortgeführt. Die letzten Nachträge stammen aus dem Jahr 1660. Im Wesentlichen handelt es sich um ein Kopialbuch, in das Abschriften der städtischen Privilegien und sonstigen Urkunden bezüglich der Rechte, Besitztümer und Finanzen der Stadt eingetragen sind.

Bislang wurde nur ein Teil der Dokumente in verschiedenen älteren Arbeiten gedruckt, wobei teilweise erhebliche Abschreibfehler deutlich werden. Am Lehr­stuhl wird diese interessante Handschrift aus dem Stadtarchiv Nordhausen (1.2 II Na 17) erstmals als Ganzes herausgegeben; zudem werden seine lateinischen Textteile übersetzt, um das Buch einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.

Einen großen Raum im „Rauhen Buch“ nehmen die Privilegien der Könige und Kaiser, verschiedener weltlicher Herren und Bischöfe ein. Aber auch Verordnungen derselben und Vereinbarungen des Stadtrates mit denselben Parteien, aber auch mit Klöstern, Zünften und diversen Einzelpersonen, finden sich in dem Buch. Heinrich Laran versuchte sich an einer systematischen Ordnung der Dokumente nach den jeweiligen Ausstellern, die jedoch von den späteren Schreibern teilweise durchbrochen wurde. Der weitaus größte Teil der Abschriften betrifft noch das 14. Jahrhundert.

Inhaltlich bietet die Handschrift ein buntes Sammelsurium, in dem sich unter anderem Eidesleistungen städtischer Hauptmänner, die Schlichtung einer Beleidigung, ein Gerichtsbeschluss gegen einen schädigenden Grafen, Reglementierungen gegen Fälschungen der beliebten Nordhäuser Tücher und eine Verordnung gegen illegales Bierbrauen entdecken lassen.

Der letzte Abschnitt des Buches hingegen ermöglicht Einblicke in das städtische Finanz­wesen. Hier wurden von der Stadt in den Jahren 1360 bis 1371 ausgegebene Urkunden aufgelistet und in ihren wichtigsten Inhalten zusammengefasst, aber nicht abgeschrieben. Die meisten hier sichtbaren Geschäfte der Stadt wurden mit Bürgern beiderlei Geschlechts abgeschlossen; diese städtischen Zinsbriefe zeigen ein örtliches Darlehens­system und entsprechen der Vorform einer heutigen Versicherung für die betreffenden Bürger. Insgesamt zählt das „Rauhe Buch“ daher zu den Stadtbüchern gemischten Inhalts.

Quellenwert des „Rauhen Buches”

Als Stadtbuch dokumentiert und untermauert das „Rauhe Buch“ vor allem den Ausbau der städtischen Autonomie und der Herrschaft des Rates in Nordhausen. Die Siedlung Nordhausen stand lange unter dem Einfluss des örtlichen, reichsunmittelbaren Heilig-Kreuz-Stiftes und wurde unter Friedrich II. im Jahr 1220 zur Reichsstadt erhoben.

Doch erst im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts und vor allem im 14. Jahrhundert, das zugleich als mittelalterliche Blütezeit der Stadt gilt, wurden das autonome städtische Gemeinwesen und die Herrschaft des Rates tiefgehend ausgebaut. Dies drückte sich unter anderem in dem mehrmaligen Erlass eines Stadtrechts, aber auch in offiziell angelegten Schriften wie dem „Rauhen Buch“ aus. Letzteres lässt durchaus eine Systematik der städtischen Politik erkennen, die beispielsweise gezielt den Grunderwerb durch kirchliche Institutionen einschränkte.

Damit liegt eine wertvolle Quelle vor, die nicht nur für die Geschichte der Stadt Nordhausen relevant ist, sondern auch allgemein für den Aufbau städtischer Autonomie, Herrschaft und Identität insbesondere im 14. Jahrhundert aussagekräftig ist und als solche den Vergleich mit anderen Städten ermöglicht. Sie bezeugt zudem die Selbstbehauptung Nordhausens zwischen dem Reich, verschiedenen weltlichen Herren und der Kirche.

Doch nicht nur zu Fragen städtischer Politik, Ereignisgeschichte und Identität wird man im „Rauhen Buch“ fündig. Die Quelle eröffnet unter anderem auch Aspekte der örtlichen Rechts-, Alltags-, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, der lokalen Sprach- und Namens­entwicklung, der Geschichte der Nordhäuser Juden, der besonderen Stellung einer Reichsstadt und der Geschichte des Umlands – um nur einige Punkte zu nennen. Das Buch eröffnet damit ein facettenreiches Panorama städtischen Lebens insbesondere des 14. und 15. Jahrhunderts.

Bearbeiter:

Prof. Dr. Hiram Kümper
Dr. des. Daniela Bianca Hoffmann


Ermöglicht durch freundliche Förderung der Friedrich-Christian-Lesser-Stiftung