Forschung am Lehrstuhl für Germanistische Linguistik
Aktuelle Forschungsprojekte
Grammatik in der digitalen Kommunikation
Gemeinsames Projekt mit PD Dr. Sören Stumpf (LMU München, Germanistische Linguistik)
Online-Sprachratgeber mit Titeln wie The Social Media Grammar Guide legen die Vermutung nahe, dass der (korrekte und angemessene) Gebrauch von Grammatik in der digitalen Kommunikation für die sprachinteressierte Öffentlichkeit ein Thema von Relevanz ist. In der (germanistischen) Medienlinguistik finden grammatische Untersuchungsgegenstände und Phänomenbereiche jedoch bislang kaum Beachtung. Dabei ist wohl unbestritten, dass digitales Schreiben und Sprechen auf grammatischen Mustern beruht, auf die Nutzer:innen wiederkehrend zurückgreifen und die sich zum Teil im Zuge digitaler Kommunikationsanlässe herausbilden. Angesichts des weiterhin bestehenden grammatischen Forschungsbedarfs sowie der Dynamizität und des Innovationspotenzials digitaler Kommunikation zielt das Projekt darauf ab, (lexiko-)grammatische Phänomene auf verschiedenen digitalen Plattformen, im Kontext divergierender digitaler Kommunikationspraktiken und mit Blick auf unterschiedliche Online-Communities zu untersuchen. Insbesondere sind solche strukturellen Muster von Interesse, die vom digital-kommunikativen Einbettungszusammenhang nicht nur gerahmt, sondern auch mitgeformt sind. Fragen, die uns motivieren, sind unter anderem: Welche (lexiko-)grammatischen Muster lassen sich (ausschließlich) in digital-kommunikativen Verwendungssituationen identifizieren? Inwiefern wirken sich die medial-technologische Rahmung sowie die Logiken der digitalen Kommunikation auf grammatische Musterhaftigkeiten aus? Lässt sich die Annahme einer Grammatik der digitalen Kommunikation rechtfertigen – etwa in Analogie zur Grammatik der gesprochenen Sprache? Erste theoretische und methodisch-empirische Perspektivierungen sind auf der Tagung Digital Grammar Studies – Grammatik (in) der digitalen Kommunikation (PDF, 174 kB) zusammengetragen worden; hierzu entsteht derzeit ein Sammelband.
Digitale Körperkommunikation im Wandel
Die digitale Kommunikation über Körper zu erforschen, ist in mehrfacher Weise medien-, sozio- sowie kulturlinguistisch aufschlussreich: ganz grundlegend mit Blick auf das dynamische Verhältnis von Sprache, Bild, Gesellschaft und Technologie im digitalen Zeitalter, aber auch deutlich konkreter in Hinsicht auf (sprachliche) Praktiken der Sinnstiftung und -zuschreibung im gesellschaftlich umkämpften „Spannungsfeld“ von Ästhetik, Wohlbefinden und Gesundheit. Im Vordergrund des Untersuchungsinteresses stehen Fragen nach wiederkehrenden Formen, lokalen Funktionen und globalen Strategien des körperbezogenen Positionierens auf verschiedenen digitalen Plattformen sowie deren Wandel über einen längeren Zeitraum. In methodologisch-methodischer Hinsicht schließt das Projekt vor allem an Ansätze der qualitativen und quantitativen Korpuspragmatik an. Grundsätzlich motiviert wird das Projekt vom Desiderat einer diachronen Internetlinguistik, die Phänomene variierender und veränderlicher lexikogrammatischer Formate, multimodale Positionierungsverfahren und digital-schriftliche Interaktionsstrukturen mit diachronem Fokus untersucht.
Zwischen Informationsspeicherung und sozialer Kategorisierung – Einsichten in eine historische Gästekartei


Im Aufbau.
Generation als diskursive Konstruktion
Habilitationsprojekt von Dr. Anne Rosar
Generation ist ein kulturelles Deutungsmuster, das bestimmte Erfahrungen und Eigenschaften einer Alterskohorte zuschreibt und diese zugleich in Abgrenzung zu früheren Generationen verortet. Es handelt sich jedoch um keine stabil definierbare demografische Größe, sondern um ein hybrides Konzept, das zwischen verschiedenen Wissensbereichen zirkuliert und vielfältige Bedeutungen trägt. In aktuellen Alltags- und Mediendiskursen fungiert Generation zunehmend als fluide, aber identitätsstiftende Unterscheidungsdimension, über die soziale Zugehörigkeit markiert wird und symbolische Grenzziehungen vorgenommen werden – etwa durch Fremd- und Selbstzuschreibungen wie Boomer oder Gen Z, die in digitalen Kontexten pointiert inszeniert und verhandelt werden (z. B. Boomer sind unflexibel, Klimawandel ist ihnen egal; Gen Z ist Freizeit wichtiger als Arbeit). Während sich benachbarte Disziplinen, insbesondere die Soziologie, seit Langem intensiv mit generationalen Unterschieden auseinandersetzen, steht eine systematische linguistische Untersuchung noch aus.
Das Habilitationsprojekt nimmt die Sozialität und Medialität sprachlicher und kommunikativer Praktiken im Generationsdiskurs in den Blick. Dabei wird ein Mixed-Methods-Ansatz verfolgt; in empirischen Teilstudien werden verschiedene Datenbasen sowohl quantitativ als auch qualitativ untersucht. Im Zentrum steht die Frage, mit welchen sprachlichen und multimodalen Mitteln generationstypische Identitäten hergestellt, bestätigt oder infrage gestellt werden – etwa durch Selbstverortung (ich als Millennial) oder Abgrenzung (OK Boomer).
Herausgegebene Zeitschriften
Zeitschrift für Sprachvariation und Soziolinguistik

Die Zeitschrift für Sprachvariation und Soziolinguistik – herausgegeben von Lars Bülow, Marie-Luis Merten, Sarah Schimke und Alexander Werth – ist eine internationale Open-Access-Zeitschrift, die regelmäßig und fortlaufend online erscheint. Veröffentlicht werden wissenschaftlich hochwertige Beiträge zur Variations- und Soziolinguistik auf Deutsch und auf Englisch. Die Zeitschrift ist offen für verschiedene theoretische Richtungen und methodische Herangehensweisen. Besonders erwünscht sind empirische und/
oder theoretisch fundierte Beiträge zu folgenden Themen: Variationslinguistik, Soziolinguistik, Dialektologie, Variation im Spracherwerb und Variationserwerb, typologische Variation sowie psycholinguistische Ansätze zur Variation. Zeitschrift für Kulturlinguistik
Die Zeitschrift für Kulturlinguistik – Revue de linguistique culturelle – Rivista di linguistica culturale – Journal of Cultural Linguistics – herausgegeben von Martin Luginbühl, Stefan Hauser, Marie-Luis Merten, Juliane Schröter und Susanne Tienken – ist eine internationale linguistische Open-Access-Zeitschrift mit double-blind Peer-Review, die hochwertige und innovative Forschungsbeiträge der Kulturlinguistik (auch kulturanalytische Linguistik oder linguistische Kulturanalyse) publiziert. Sie veröffentlicht zudem Beiträge, die an der Schnittstelle von Kulturlinguistik und Literaturwissenschaft angesiedelt sind. Die Zeitschrift erscheint zwei Mal im Jahr (online only).
Gender Linguistics
Die Gender Linguistics (GL) – herausgegeben von Dominic Schmitz sowie Samira Ochs, Anne Rosar, Jeff Roxas, Aline Siegenthaler, Simon David Stein und Lena Völkening – ist eine internationale, interdisziplinäre Open-Access-Zeitschrift mit double-blind Peer-Review-Verfahren ohne finanzielle Publikationsbarrieren. Sie widmet sich linguistischen Perspektiven auf Wechselwirkungen von Sprache und Gender in ihrer gesamten Vielfalt. Die Zeitschrift wurde 2025 gegründet und erscheint zweimal jährlich (online only). Sie wird vom Verein Diversität in der Linguistik e. V. organisatorisch verwaltet.
News: Publikationen, Tagungen & Co.
Buch | „Variationspragmatik. Regionale Vielfalt und situative Unterschiede im Sprachgebrauch“

Erschienen als Open Access-Band: Stumpf, Sören / Marie-Luis Merten / Susanne Kabatnik / Sebastian Zollner (Hrsg.) (2025): Variationspragmatik. Regionale Vielfalt und situative Unterschiede im Sprachgebrauch (Studien zur Pragmatik 8). Tübingen: Narr.
Der Band greift das Desiderat einer germanistischen Variationspragmatik auf. Dazu versammelt er Beiträge, die sich pragmatischer Variation im Deutschen insbesondere aus diatopischer und diaphasischer Perspektive widmen. Berücksichtigung finden sowohl klassische Bereiche der Pragmatik (z. B. Deixis, Sprechakte, pragmatische Marker) wie auch Ansätze einer weit gefassten Pragmatik (z. B. Schreibregister, Text- und Wissensorganisation, Metapragmatik). Insgesamt gibt der Band einen Einblick in das breite Spektrum an Objektbereichen und Anwendungsfeldern der (germanistischen) Variationspragmatik. Hier geht es zum Download.
Tagung | AdW Mainz | „Migrationsonomastik“

Organisation Dr. Anne Rosar mit Dr. Theresa Schweden (Mainz) in Kooperation mit dem Digitalen Familiennamenwörterbuch Deutschlands, einem Projekt der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz.
Wir laden zur 10. Mainzer Namentagung „Migrationsonomastik“ in der Akademie der Wissenschaften ein. Ziel ist, Anthroponyme in Verbindung mit Sprachbiografien und Migrationsprozessen zu untersuchen.
Fragestellungen in Verbindung mit Migration haben sich in den letzten Jahren zunehmend als linguistisches Forschungsfeld etabliert. Dabei stehen Mehrsprachigkeit, Variation und Sprachkontakt im Zentrum. Bisher unberücksichtigt blieben jedoch Personennamen, obwohl ihnen bei Migrationsprozessen eine zentrale Rolle zukommt: Im Rahmen von Migration werden Ruf- und/
oder Familiennamen beibehalten, angepasst oder abgelegt. So erzählen Namen individuelle oder gruppenspezifische Zuwanderungsgeschichten. Anthroponyme können Marker für Migration sein und so zu Stereotypisierungen oder Diskriminierung führen, z. B. auf dem Arbeitsmarkt oder bei der Wohnungssuche. Die Tagung greift Ergebnisse und Forschungsperspektiven des internationalen Workshops „Personennamen in Migration“ auf, der 2023 an der Universität Münster stattfand. Ziel ist die Auseinandersetzung insbesondere mit grammatischen Anpassungsprozessen, der Transliteration, der situativ-pragmatischen Variation oder dem Wechsel von Ruf-, Familien- bzw. Gesamtnamen.
Auf der Tagungswebsite www.namenforschung.net finden Sie weitere Informationen zur Veranstaltung.
Tagung | LMU München | „Social Grammar“

Organisation Prof. Dr. Marie-Luis Merten (Mannheim) mit PD Dr. Sören Stumpf (München)
Die Tagung versteht sich als Folgeveranstaltung der SNF-Tagung „Digital Grammar Studies – Grammatik (in) der digitalen Kommunikation“, die im Frühjahr 2024 an der Universität Zürich stattgefunden hat. Sie soll zudem nicht der letzte Anlass sein, der sich aktuellen Tendenzen der funktionalen und kontextsensitiven Grammatikforschung widmet. So verfolgen wir das längerfristige Ziel, eine Tagungsreihe zum Thema „Grammatik im Kontext“ (GrammatiKon) zu etablieren, die in regelmäßigen Abständen zu wechselnden inhaltlichen Schwerpunkten – stets vor der Folie eines funktional-grammatischen Grundverständnisses – stattfinden wird.
Buch | „Soziale Positionen – soziale Konstruktionen. Stancetaking im Online-Kommentieren“

Erschienen als Open Access-Publikation: Marie-Luis Merten (2025): Soziale Positionen – soziale Konstruktionen. Stancetaking im Online-Kommentieren (Formelhafte Sprache / Formulaic Language 7). Berlin, Boston: De Gruyter.
Die Studie beleuchtet das lexikogrammatisch musterhafte Stancetaking im Online-Kommentieren. Sie leistet sowohl in theoretischer als auch empirischer Hinsicht einen fundierten Beitrag zur konstruktionsgrammatischen Erforschung von Stance-Sprachgebrauchsmustern und behandelt damit wesentliche Fragestellungen der Social Construction Grammar. Als Untersuchungsgrundlage dient ein Korpus bestehend aus Leser:innen-Kommentaren zu ZEIT ONLINE- und SPIEGEL ONLINE-Artikeln. Kommentiert werden im Rahmen der User:innen-Beiträge journalistische Artikel zu gesundheitsbezogenen Themen. Im Mittelpunkt der explorativen Studie, die qualitativ- und quantitativ-orientierte Untersuchungsschritte miteinander kombiniert, steht insbesondere das sprachliche Ausgestalten der digitalen Schreibfläche als einen sozialen Raum der Partizipation, in dem Wissen verhandelt wird sowie emergente wissensbezogene Identitäten hergestellt, zugeschrieben und ausgehandelt werden. Das epistemische Stancetaking ist mithin zentral. Leser:innen avancieren zu schreibenden Akteur:innen und greifen dabei wiederkehrend – mit Blick auf die Grammatik-Pragmatik-Schnittstelle instruktiv – auf ein Repertoire komplexer teilspezifizierter Konstruktionen zurück.
Sektion | IVG in Graz | „Digitale Positionierungspraktiken in der Krise“

Am 22. Juli 2025 fand die Sektion „Digitale Positionierungspraktiken in der Krise“ auf dem XV. Kongress der Internationalen Vereinigung für Germanistik in Graz statt. Mit Vorträgen unter anderem zu „Internet-Memes als Stance-Ressourcen in Krisenzeiten“ (Lars Bülow & Marie-Luis Merten [Sektionsleitung], hier rechts im Bild), „Positionierung durch Sprachkritik in digitalen Medien“ (Karina Frick, Bildmitte), „Positionierungspraktiken in Verschwörungstheorien“ (Hanna Poloschek & Sören Stumpf, hier links im Bild) widmete sich die Sektion dem kommunikativen Entwurf von Zugehörigkeit, dem sprachlichen Abgrenzen und Ausgrenzen in vielfältigen digitalen Settings.
Abgeschlossene Forschungsprojekte
InterGramm – Interaktive Grammatikanalyse historischer Texte

Bei InterGramm („Interaktive Grammatikanalyse historischer Texte“) handelte es sich um ein interdisziplinäres Kooperationsprojekt unter Beteiligung der Germanistischen Sprachwissenschaft (Leitung: Prof. Tophinke; Postdoktorandin: M.-L. Merten), der Computerlinguistik (Leitung: Prof. Geierhos) und der Informatik (Prof. Hüllermeier). Das Projekt hat sich der korpuslinguistisch fundierten Erschließung des Sprachausbaus des Mittelniederdeutschen im Spätmittelalter auf der Basis adaptiver Annotationsverfahren gewidmet. Dabei kamen u. a. Verfahren des maschinellen Lernens zum Einsatz. Entstanden ist ein mit Blick auf (komplexe) Form-Funktionskopplungen annotiertes diachrones Korpus, das Interessierten auf Anfrage zur Verfügung gestellt wird (Mail an: marie-luis.merten@uni-mannheim.de). Wir haben uns darüber hinaus mit Phänomenen der Unschärfe und Ambiguität – im Kontext von manuellen wie auch maschinellen Annotationsprozessen – aus linguistischer, informatisch-mathematischer und computerlinguistischer Sicht beschäftigt.