Die Übersetzung des französischen Magelone-Romans durch Veit Warbeck (Erstdruck 1535) ist wohl die bekannteste und am meisten erforschte Bearbeitung des Magelone-Stoffs im deutschen Sprachraum. Weniger bekannt sind hingegen die zahlreichen weiteren Bearbeitungen des Stoffs, die vom 16. bis ins 19. Jahrhundert auf Grundlage von Warbecks Roman in deutscher Sprache, aber auch in zahlreichen anderen europäischen Sprachen entstehen.
Der Magelone-Stoff handelt nicht nur von der Liebesbeziehung der Protagonist*innen zueinander, sondern auch von der eng damit verknüpften Beziehung zu ihren Eltern und Schwiegereltern. Bereits in Warbecks Magelone-Roman werden die Fragen aufgeworfen, ob und wie Eltern auf die Partner*innenwahl ihrer Kinder Einfluss nehmen sollen, wie Konflikte zwischen Eltern und Kindern geschlichtet werden können und unter welchen Bedingungen materielles und immaterielles Erbe von den Eltern auf die Kinder übergehen können.
Die meisten dieser Fragen werden in Warbecks Roman nur andeutungsweise verhandelt. Anders verhält sich das mit den vier längeren Bearbeitungen des Stoffs, die in den ersten 30 Jahren nach dem Erscheinen von Warbecks Roman im deutschen Sprachraum entstehen: Das anonyme Drama von 1539, die Dramen von Hans Sachs und Sebastian Wild und die Historia von Christoffel und Veronika Valentin Schumanns. Diese vier Bearbeitungen setzen sich besonders intensiv mit den Eltern-Kind-Beziehungen auseinander und entwickeln verschiedene Konfliktlösungsstrategien. Damit unterscheiden sie sich von den späteren Bearbeitungen des Magelone-Stoffs im deutschen Sprachraum ebenso wie von den mittelalterlichen Vorläufern und anderen Überlieferungszweigen, deren Fokus eher auf Beziehungsformen wie Freundschaft, Dienerschaft und Feindschaft liegt.
Meine Dissertation widmet sich schwerpunktmäßig der Untersuchung der Darstellungsformen von Eltern-Kind-Beziehungen in den vier Magelone-Bearbeitungen des 16. Jahrhunderts. In einem zweiten Arbeitsschritt soll diese Untersuchung durch einen Blick auf die Magelone-Bearbeitungen anderer Epochen, Sprachen und Kulturen erweitert und innerhalb der europäischen Magelone-Tradition verortet werden.