Reinhild Kreis war seit September 2014 Akademische Rätin a.Z. am Lehrstuhl für Zeitgeschichte an der Universität Mannheim. 2015/
Seit dem 1. März 2021 hat Frau Kreis die Professur für Geschichte der Gegenwart an der Uni Siegen übernommen. Hier finden Sie ihr dortiges Profil sowie ihre neuen Kontaktdaten.
Fast alle Menschen in modernen Konsumgesellschaften sind ProsumentInnen, ohne viel darüber nachzudenken. Sie kaufen Backzutaten, Bohrmaschinen, Wolle, Fliesenkleber, Haartönungen und Bausätze und machen daraus Kuchen, Möbel, Socken, Fußböden, Frisuren und Computer. Sie konsumieren und verarbeiten das Gekaufte in ihrem Haushalt weiter, produzieren also. Diese unsichtbare Ökonomie entstand zusammen mit der modernen Konsumgesellschaft, als wachsende Teile der Bevölkerung zunehmend zwischen Selbermachen und Kauf wählen konnten. Trotz seiner immensen Bedeutung ist das Zusammenspiel von Produktion und Konsum im Privathaushalt bisher kaum erforscht.
Kaufen, Selbermachen und die vielfältigen Optionen dazwischen sind dabei keine reine Privatsache. Entscheidungen über häusliche Versorgungsstrategien transportieren Vorstellungen über den Einsatz von Ressourcen wie Zeit, Geld und Materialien – und wie Haushalte sich hier entschieden, lag auch im Interesse von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Die Studie setzt daher auf zwei Ebenen an. Erstens geht es um Versuche, in häusliche Versorgungsstrategien zwischen Selbermachen und Kaufen lenkend einzugreifen. Das umfasst die Einführung von Werk- und Kochunterricht in Schulen ebenso wie das Ideal der guten Hausfrau, Schlachtverbote während der Weltkriege und staatlich gefördertes Heimwerken in der DDR, und nicht zuletzt die Absatzinteressen ganzer Industriezweige vom Heimwerken bis zu Backzutaten. Zweitens geht es um die Praktiken des Selbermachens selbst: Was machten Haushalte selbst, wie und warum? Wie waren Aufgaben zwischen den Geschlechtern, Schichten und Generationen verteilt? Welche Rolle spielten Sparsamkeit, Vergnügen und Qualitätsbewusstsein?
Der Blick auf Praktiken des Selbermachens eröffnet eine ganz neue Perspektive auf die Konsumgeschichte. Die Studie zeigt Praktiken des Selbermachens als riesigen Markt und als „moral economy“, in der Versorgungsfragen an Vorstellungen über richtiges und falsches Handeln, Identitäten und Rollenbilder gekoppelt waren, kurz: wie sehr gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnung von der Frage „Selbermachen oder Kaufen?“ geprägt sind.
Orte für Amerika: Deutsch-Amerikanische Institute und Amerikahäuser seit den 1960er Jahren
Um das westliche Bündnis im Ost-West-Konflikt nach innen zu stabilisieren, setzten die USA während des Ost-West-Konflikts auf auswärtige Kultur- und Informationspolitik. In der Bundesrepublik wandten sich etwa 20 Amerikahäuser und Deutsch-Amerikanische Institute an die westdeutsche Bevölkerung, um Sympathien für die Politik und die Werte der USA zu erzeugen. Sie waren jedoch nicht nur Mittler im amerikanischen Auftrag, sondern durch vielfältige Beziehungen fest in der westdeutschen Kulturlandschaft verankert. In der Öffentlichkeit standen sie als symbolische Orte für „Amerika” – im positiven wie im negativen Sinne.
Diese Studie analysiert die Strukturen, Zielvorgaben und das Instrumentarium der amerikanischen Kultur- und Informationspolitik in der Bundesrepublik, Themenkarrieren und -konjunkturen sowie die Amerikahäuser und DAI in ihren lokalen Beziehungsgefügen. An der Schnittstelle von USA und Bundesrepublik, Außen- und Kulturpolitik, Regierung und Öffentlichkeit zeigt die Untersuchung der Amerikahäuser und Deutsch-Amerikanischen Institute die Gestaltung, Dynamiken und Spannungen der transatlantischen Beziehungen seit den 1960er Jahren unterhalb der diplomatischen Ebene.
Reinhild Kreis ist seit September 2014 Akademische Rätin a.Z. am Lehrstuhl für Zeitgeschichte an der Universität Mannheim. Im WiSe2019/
Sie studierte Neuere und Neueste Geschichte, Bayerische Landesgeschichte und Germanistik an der LMU München und in Galway (Irland). Die Promotion erfolgte 2009 an der LMU zum Thema „Orte für Amerika. Deutsch-Amerikanische Institute und Amerikahäuser seit den 1960er Jahren” (ifa-Forschungspreis Auswärtige Kulturpolitik, Edmund Spevack Award). Das Habilitationsprojekt untersucht „Selbermachen im Konsumzeitalter. Werte, Ordnungsvorstellungen und Praktiken vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis in die 1980er Jahre”.