Das Projekt liefert einen Beitrag zur Geschichte des Kleinkredits in der Vormoderne. Es fragt nach der Bedeutung von Klein- und Kleinstkrediten für das wirtschaftliche und soziale Leben spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Gesellschaften. Die forschungsleitende Hypothese, dass gesellschaftliche Kohärenz wesentlich über Marktteilhabe erzeugt werden kann, wurde in der jüngeren Forschung von Fontaine, Schlumbohm, Clemens u.a. für die Frühe Neuzeit postuliert. In drei Fallstudien wird die Validität dieser These für mittelalterliche Gesellschaften überprüft und zwar anhand bisher nur wenig beachteter Quellengattungen. Teilprojekt 1 (Skambraks/Schniggendiller) wertet kirchliches Verwaltungsschrifttum der Kathedrale von St. Paul`s, London aus und untersucht die Rolle des städtischen Klerus als Kleinkreditgeber und -nehmer. Teilprojekt 2 (Kümper/Gussone) wertet Stadtrechnungsbücher der nordwestdeutschen Mittelstädte Bocholt, Kalkar und Wesel aus, die indirekt den Blick auf Kleinkreditbeziehungen der Bürger untereinander frei geben, weil sie die Verrechnung von Ausständen fixieren, auch wenn diese keine eigenständige vertragliche Dokumentation fanden. Teilprojekt 3 (Kehnel/Köhler) untersucht anhand der Tiroler Rechnungsbücher (Raitbücher) und Notariatsimbreviaturen das Kleinkreditgeschäft im ländlichen Raum, mit Konzentration auf die gräflichen Pfandleihhäuser (casanae, gazane). Mit diesem Teilprojekt wird die Erforschung der Geschichte der Pfandleihe am Historischen Institut Mannheim weiter ausgebaut, die seit 2014 mit Tanja Skambraks Habilitationsprojekt zu den oberitalienischen Monti di Pieta läuft.
Als Hauptproblem der Erforschung von Klein- und Kleinstkreditbeziehungen in mittelalterlichen Gesellschaften galt bisher der Quellenmangel, da alltägliche Wirtschaftspraktiken wechselseitiger Verschuldung in der Regel informell liefen und nicht dokumentiert wurden. In den letzten Jahren haben jedoch Fouquet, Signori, Gilomen u.a. die Diskussion durch Vorstöße insbesondere im Bereich stadtbürgerlicher Schuldenpraxis neu angeregt. Unser Forschungsvorhaben schließt hier an, mit der exemplarischen Parallelerschließung von bisher für diese Fragestellung nicht ausgewerteten Quellen aus pragmatisch gewählten, vorab gesichteten und erfolgversprechenden Archivbeständen zu drei ganz unterschiedlich gelagerten Beispielen.