Das Forschungsprojekt
„It still happens to hear people say ‘Since women have worked...’, as if they had never done it ‘before´.” (Bellavitis 2018, vii.) Mit diesen Worten spielt Anna Bellavitis auf den Fehlglauben an, die arbeitende Frau sei ein Phänomen der jüngsten Vergangenheit. Tatsächlich waren Frauen stets in allen Bereichen vertreten. Einzig im Gebiet der Wirtschaftsgeschichte schien es lange Zeit, als wären Frauen unterrepräsentiert gewesen. Die Notariatsregister aus dem 13. und 14. Jahrhundert verschiedener wirtschaftlich bedeutungsvollen Metropolen Südfrankreichs zeigen, dass sich Frauen selbstständig in der Wirtschaft bewegten.
Das Promotionsprojekt befasst sich mit der Untersuchung der Beteiligung von Frauen als Kreditgeberinnen, Schuldnerinnen und Entscheidungsträgerinnen in wirtschaftlichen Angelegenheiten Ende des 13. und am Anfang des 14. Jahrhunderts in Montpellier, einem der wichtigsten Wirtschaftszentren des mittelalterlichen Südfrankreich. Obwohl die rechtlichen Bestimmungen im Spätmittelalter Frauen nur eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten erlaubten, ergaben erste Untersuchungen von Notariatsregistern, dass Frauen einen großen Anteil an den dortigen mittelalterlichen Kreditgeschäften hatten. In der Praxis des mittelalterlichen Wirtschaftens tauchen die Namen von Frauen als Vertragspartnerinnen, als Käuferinnen und als Erbinnen regelmäßig in den Quellen auf.
Ziel ist die Erarbeitung einer aussagekräftigen Mikrostudie zu den wirtschaftlichen Aktivitäten von Frauen unterschiedlicher sozialer Provenienz in einer mittelalterlichen Großstadt. In der eigens dafür geschaffenen Datenbank FEM (Les femmes dans l ́économie de Montpellier médiévale) werden Daten zu Frauen in der Kreditwirtschaft von Montpellier (Datum, Name, Familienstand, sozialer Status, Summe Vertragstransaktionen Geldbetrag) erfasst. Anhand dieser Zusammenstellung können die Befunde systematisch und auch quantitativ ausgewertet werden.