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Personen und Teil­projekte


Teil­projekte

Teil­projekt 1: London

Kleinkredit im kirchlichen Verwaltungs­schrifttum von St. Paul’s im spätmittelalterlichen London, bearbeitet von Markus Schniggendiller

Kreditgeschäfte waren für die Menschen des 14. und 15. Jahrhunderts gängige Praxis. Davon ist auch der Klerus nicht auszunehmen. Dieses Teil­projekt beleuchtet die Verflechtungen der Kleriker der St. Paul’s Cathedral in das Kredit­netzwerk des spätmittelalterlichen London. Dieser Zeitraum fand in der bisherigen Forschung überraschend wenig Beachtung, dieses Teil­projekt versucht diesen Missstand zu beheben. Insbesondere die Rolle des städtischen Klerus als Kleinkreditgeber sowie –nehmer und daraus abzuleitende Verbindungen zur Stadtbevölkerung stehen dabei im Fokus.
Als Ausgangspunkt dieses Projekts diente das Testament des damaligen Bischofs von London, Michael Northburgh (1354-1361), welcher darin die Installation einer Darlehenskasse veranlasste. Die anfängliche Annahme, dass sich auch bedürftige Menschen aus dieser Kasse einen Kredit nehmen konnten, gilt es zwar grundsätzlich zu hinterfragen, jedoch ist diese Quelle zweifelsfrei ein Beleg für die Aktivität des Klerus auf dem lokalen Kredit­markt.
Darauf aufbauend werden in diesem Projekt weitere Quellen nach der Präsenz der Kleriker von St. Paul’s in Kreditgeschäften durchleuchtet. Eine ausreichende Quellenlage für eine solche Arbeit ist durch diverse überlieferte Rechnungs- und Finanz­bücher, Renten- und Almosenverzeichnisse, aber auch durch Gerichtsakten und Schuldregister des Londoner Spätmittelalters gegeben.


Teil­projekt 2: Städte des nordwestdeutschen Raumes

Kleinkredit und Markt­teilhabe in den niederrheinischen Städten Wesel, Kalkar und Bocholt, bearbeitet von Monika Gussone

Teil­projekt 2 nimmt den niederrheinischen Raum in den Blick, insbesondere die Städte Wesel, Bocholt und Kalkar, die im Spätmittelalter zur Gruppe der mittelgroßen Städte zählten. Aufgrund ihrer Größe benötigten sie zwar bereits eine professionelle Rechnungs­führung, konnten zugleich Einnahmen und Ausgaben aller Bereiche jedoch noch nahezu ausnahmslos in einem zentralen Rechnungs­buch zusammenfassen. Mithilfe dieser Stadtrechnungen zunächst, in denen sich Spuren von Kreditgeschäften, Schuld­verhältnissen und Ausständen nicht nur zwischen der jeweiligen Stadt und ihren Bewohnern, sondern auch zwischen einzelnen Bürgern finden lassen, soll die Ausgangsthese überprüft werden, ob Kleinkredite tatsächlich auf Dauer für Markt­teilhabe sorgen konnten. Ist diese Annahme zutreffend, müssten Empfänger von Kleinkrediten im Regelfall in der Lage gewesen sein, solche Kredite zügig zurückzuzahlen. Trifft auch die zweite Annahme zu, dass innerhalb der Stadt ein enges Netz von gegenseitigen Verpflichtungen bestand, müssten die beteiligten Personen abwechselnd nicht nur als Kreditnehmer, sondern auch als Kreditgeber in Erscheinung treten. Als Formen von Kredit sollen dabei alle direkten Aufnahmen von Bargeld für die unmittelbare Verwendung, Rentenkäufe, Ausstände von Arbeits­lohn oder gelieferten Materialien und Waren und nicht bezahlte Steuern angesehen werden.
Um ein umfassendes Bild von den finanz­iellen Aktivitäten der Bürger, ihren Beziehungen unter­einander, zur Stadtverwaltung und den geistlichen Institutionen, aber auch ins städtische Umland hinein, zu erhalten, muss jedoch zusätzlich die Über­lieferung der Klöster und Pfarrkirchen, und auch da vor allem Rechnungs­material, hinzugezogen werden. Verträge, normative Quellen sowie Rats- und Schöffenprotokolle schließlich können dabei helfen zu ermitteln, wie häufig es zu Zahlungs­schwierigkeiten und Streitigkeiten über Schulden und Kredite kam, ob sie in bestimmten Bevölkerungs­gruppen oder Stadtvierteln vermehrt auftraten und ob bzw. wie der Stadtrat regulierend in den Kredit­markt eingriff.


Teil­projekt 3: Tirol

Kleinkredit und Pfandleihe in der Grafschaft Tirol im 13. und 14. Jahrhundert, bearbeitet von Stephan Nicolussi-Köhler

Das Projekt erforscht die Praktiken der Kreditvergabe und Pfandleihe in der Grafschaft Tirol im 13. und 14. Jahrhundert. Im Zentrum der Unter­suchung steht die Gründung sogenannter casanae oder gazanae, gräflich konzessierte Pfand- und Leihhäuser, die zwischen 1287/1288 und 1354 in dreizehn Ortschaften der Grafschaft Tirol und fünf weiteren des Herzogtums Kärnten entstanden sind. Diese zählen zu den ältesten bekannten Pfandleihbanken in Europa, waren bisher jedoch kaum Gegenstand wirtschafts­historischer Unter­suchungen. Das Entstehen ebenso wie das Verschwinden dieser gräflichen Pfandleihhäuser nach wieder knapp 70 Jahren ermöglicht eine tiefergehende Unter­suchung vormoderner Kredit­praktiken und -institutionen. Insbesondere soll nach der Notwendigkeit dieser Einrichtungen gefragt werden, Kredite bereitzustellen. Weitere Fragekomplexen beschäftigen sich mit der räumlichen Verteilung der Pfandleihbanken in städtischen und ländlichen Gebieten, den Geschäfts­praktiken und auch den alternativen Möglichkeiten Kredite zu bekommen. Die Erforschung der Tiroler Kredit­praktiken verspricht über die Finanz­geschäfte der oberen sozialen Schichten – Landes­fürst, Adel, Klerus, Kaufleute – hinaus auch die Lebens­umstände und Markt­partizipation der unteren Schichten, die damals die große Mehrheit der Bevölkerung ausgemacht hat, zu erfassen. Gerade diese Erforschung von Praktiken alltäglicher ökonomischer Verflechtungen zeigen die Bedeutung der Teilhabe am Markt­geschehen für das Verstehen sozialer und ökonomischer Prozesse.