Annette Kehnel ist seit 2005 Inhaberin des Lehrstuhls für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Mannheim. Sie studierte Geschichte und Biologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, in Somerville College Oxford und an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Nach dem Promotionsstudium am Trinity College Dublin (PhD 1995) lehrte und forschte sie zunächst an der LMU München, dann an der TU Dresden, wo sie sich im Jahr 2003 habilitierte.
Annette Kehnel arbeitet international vergleichend, hielt Gastprofessuren und verbrachte Forschungsaufenthalte u.a. in Paris, Oxford, Bogota, Beijing, Jerusalem, Fribourg/
Sie hatte verschiedene Ämter an der Universität Mannheim inne, war u.a. Prodekanin und Dekanin der Philosophischen Fakultät (2010–2014), Ombudsperson für den wissenschaftlichen Nachwuchs und Vorständin der Ekkehard Stiftung. Seit 2021 ist sie als Prorektorin der Universität Mannheim, zuständig für den Bereich Studium und Lehre.
Was machen Historikerinnen und Historiker im 21. Jahrhundert? Welchen Beitrag leisten sie zur Gestaltung der gewaltigen Herausforderungen und Transformationsprozesse in Folge des globalen Klimawandels? Annette Kehnel bietet mit ihren epochenübergreifenden Forschungsprojekten eine Horizonterweiterung. Sie fordert den Abschied von der „hic-et-nunc“-Perspektive der Gegenwart zugunsten nachhaltiger und langfristiger Denkmodelle und Handlungsmuster. Denn Geschichte schult den Möglichkeitssinn.
Ausgehend von ihren frühen Forschungen zur Geschichte mittelalterlicher Klöster und Orden in Irland, Italien und England rekonstruiert sie „Kulturen der Nachhaltigkeit“ in vormodernen Gesellschaften, und zeigt, wie im Zusammenspiel zwischen Kultur, Religion und Wirtschaft Verhaltensweisen und Handlungsmuster tradiert werden, die wir heute als nachhaltig bezeichnen würden.
Wie wurde das Bewusstsein für soziale Nachhaltigkeit in den wirtschaftlich florierenden Städten Oberitaliens gefördert? Um die Menschen auf der Schattenseite des spätmittelalterlichen Wirtschaftswachstums nicht zu verlieren, haben die Stadträte Pfandleihanstalten gegründet, die wir heute Mikrokreditbanken nennen würden. Man organisierte Zugang zu Kapital und damit die Möglichkeit der Marktteilhabe, nicht über Almosen, sondern durch Kleinkredite. Als Kreditsicherung akzeptierte man Pfänder und sicherte so den langfristigen sozialen Zusammenhalt (siehe Tanja Skambraks' Werk).
Frauen wurden lange Zeit übersehen. Sie sind ein blinder Fleck der Forschung. Eine Fallstudie zur südfranzösischen Stadt Montpellier untersucht die Rolle der Frauen als Vertragspartnerinnen, Investorinnen und Erbinnen in Handelsgeschäften, Kaufverträgen und Testamenten (siehe Verena Wellers Projekt).
Auch Nonnen haben eigenständig gewirtschaftet. Derzeit wird eine Reihe bisher unbearbeiteter Rechnungsbücher aus mittelalterlichen Frauenklöstern in Kirchheim/
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Wie lassen sich kollektive Ressourcen, die allen gehören und nur gemeinsam genutzt werden können nachhaltig nutzen, ohne dass wir sie zerstören? Wie teilt man Atmosphäre, Grundwasser, Boden, Ozeane und Regenwälder gerecht und nachhaltig? Die Bodenseefischer im Mittelalter und der Frühen Neuzeit machen es vor und bestätigen die Forschungen der Nobelpreisträgerin Elionor Ostroms.
Nachhaltige Architektur
„Cities of Ladies“ – die im späten 13. Jahrhundert erstmals gegründeten Beginenhöfe sind ein Beispiel für nachhaltige und langlebige Architektur, die gut altert und für Nutzungsänderungen geeignet ist (siehe Vittorio Lampugnani, Architekt, ETH Zürich / Harvard).
Minimalismus
„Small is beautiful“ (1972) – E. F. Schumachers Plädoyer für die Rückkehr zum menschlichen Maß, das Bedürfnis nach weniger statt immer mehr, scheint ein steter Begleiter der Menschen und lässt sich bis in die griechische Antike zurückverfolgen.
All diese Aspekte bearbeitet Annette Kehnel in ihrem Buch "Wir konnten auch anders. Eine kurze Geschichte der Nachhaltigkeit“.
„Wir konnten auch anders“ wurde mit dem NDR Sachbuchpreis 2021 ausgezeichnet und war im Herbst 2021 auf der Spiegel Bestseller Liste. Es wurde ins Koreanische, Arabische und Niederländische übersetzt. Die englische Ausgabe erscheint im Herbst 2024 bei Profile Books, London.