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Die moralische Dimension doxastischer Normen

DFG-Projekt · PD Dr. Marc Andree Weber
LS Philosophie I


Das Ziel dieses Projekts ist, die moralische Dimension doxastischer Normen zu erklären, zu erkunden und zu etablieren. Doxastische Normen sind dabei solche, die unser Überzeugungs­management betreffen.

Kurz gesagt, ist die zentrale Idee diese: Wenn man doxastische Einstellungen (wie Fürwahrhalten, Fürfalschhalten oder Überzeugungs­enthaltung), die zur vorhandenen Beleglage nicht passen, ausbildet oder beibehält, setzt man andere dem Risiko einer Fehl­information aus. Denn man könnte um Auskunft gebeten werden, sollte dann die erbetene Auskunft nicht verweigern, sofern man über die relevanten Überzeugungen verfügt und nichts Triftiges dagegen spricht, und kann nur dann eine angemessene Auskunft geben, wenn die eigenen relevanten Überzeugungen durch die Beleglage gerechtfertigt sind. Durch das Ausbilden oder Beibehalten doxastischer Einstellungen, die nicht im Einklang mit der gegebenen Beleglage sind, setzt man andere somit dem Risiko aus, falsch informiert zu werden, und fügt ihnen dadurch potentiell Schaden zu. Da moralisches Handeln es erfordert, das Verursachen eines solchen Schadens zu vermeiden, regulieren nicht nur epistemische, sondern auch moralische Normen Annahme, Beibehalt und Revision von Überzeugungen sowie die zugehörigen vorbereitenden Tätigkeiten, etwa das Sammeln von Belegen. Anders gesagt, ist die Domäne des Doxastischen keine moralfreie Zone, sondern weist vielmehr eine moralische Dimension auf. Diese moralische Dimension ist dabei weit mehr als ein bloßes Anhängsel der vertrauten epistemischen Dimension; sie hilft uns vielmehr, unsere Beweggründe dafür zu verstehen, Überzeugungen im Einklang mit der Beleglage auszubilden, sowie den mutmaßlich präskriptiven Charakter doxastischer Normen und die Beziehung zwischen Überzeugungs­ausbildung und Nachforschen zu begreifen.

Im Projekt wird eine sorgfältige Ausbuchstabierung dieser Überlegungen vorgenommen. Dabei wird insbesondere untersucht, ob eine Argumentation zugunsten einer moralischen Dimension doxastischer Normen unabhängig davon ist, welche grundlegende Einstellung zu Moral de facto die richtige ist, oder ob sie zumindest einige grundlegende Einstellungen (etwa einen strikten Konsequentialismus) ausschließt. Mit dieser Frage eng verknüpft sind solche danach, wie breit gefächert moralische Varianten doxastischer Normen sind und wieviel Raum für Abweichungen zwischen moralischen und epistemischen Varianten solcher Normen ist. Außerdem wird untersucht werden, welches Maß an Externalismus gültige moralische Normen des Überzeugungs­managements aufweisen und ob das Mitdenken einer moralischen Dimension doxastischer Normen Aus­wirkungen hat auf allgemeinere Überlegungen zu internalistischen und externalistischen Konzeptionen von Rechtfertigung. Ferner tangiert die Etablierung der moralischen Dimension doxastischer Normen die Debatten zu Meinungs­verschiedenheiten epistemisch Ebenbürtiger und zum Zufügen doxastischen Unrechts, in denen nennenswerte Teile der Argumentation auf einem epistemischen Verständnis dieser Normen beruhen.