Der Neue Deutsche Genrefilm. Geschichte, Anspruch und Potenziale der jüngsten Ära des deutschen Films
Aktuelles Forschungsprojekt von Peter Scheinpflug
Seit 2018 forscht Peter Scheinpflug zum so genannten „Neuen Deutschen Genrefilm“: Unter diesem Namen formierte sich 2012 eine Gruppe mehrheitlich junger Filmschaffender, deren Logo Sie rechts sehen.
Was ist der Neue Deutsche Genrefilm?
Mit dieser Namensgebung positionierten sich diese Filmschaffenden bewusst gegen den Neuen Deutschen Film, da den Oberhausener*innen und ihren Epigon*innen vorgeworfen wurde, zugunsten der deutschen Filmförderung die Genrefilmproduktion diskreditiert zu haben und das Massenpublikum für deutsche Filme vergrault zu haben. Der Neue Deutsche Genrefilm verfolgt hingegen die Agenda, die Produktion von Genrefilmen und das ‚Genrebewusstsein‘ in der deutschen Filmkultur zu fördern.
Worum geht es dem Forschungsprojekt?
Handelte es sich beim Neuen Deutschen Genrefilm zunächst um eine Bewegung, so lassen sich im historischen Überblick tatsächlich mehr Genrefilmproduktionen in Deutschland beobachten seit rund 15 Jahren – denn freilich setzen die Bemühungen der Filmschaffenden des Neuen Deutschen Genrefilms vor der Gründung der gleichnamigen Bewegung ein. Der Neue Deutsche Genrefilm kann daher inzwischen als eine neue Epoche der deutschen Filmgeschichte aufgefasst werden, die die deutsche Medienlandschaft grundlegend verändert hat, da trotz des Fortbestehens des Fördersystems eine Genreproduktion angestrebt wird, die zugleich internationale Standards verfolgt und nationale Traditionen wie den Heimatfilm oder den ‚Krimi‘ aufgreift. Neben Filmförderung und Fernsehindustrie sind dafür vor allem neuere Finanzierungswege wie Streamingplattformen oder Crowd-Funding und Online-Distributionswege wie Mediatheken oder Streamingplattformen wichtig.
In seinem Forschungsprojekt erforscht Peter Scheinpflug die Genese, finanziellen und infrastrukturellen Bedingungen, die Vermarktung und Rezeption, die Sinnangebote sowie die Besonderheiten des Neuen Deutschen Genrefilms im transkulturellen und filmhistorischen Vergleich.
Warum ist der Neue Deutsche Genrefilm wichtig?
Diese ‚neuen‘ deutschen Genrefilme sind hochgradig politisch und verhandeln brisante Themen wie beispielsweise ‚Flüchtlingskrise‘, Extremismus, Globalisierung oder ‚Überalterung‘. Aufgrund der Genrekonventionen werden die Themen jedoch im Gegensatz zu konventionellen Fernsehfilmen oder Arthouse-Kinofilmen oft zugespitzt und ‚reißerisch‘ inszeniert. Beispielsweise werden ‚Flüchtlingskrise‘, Migrations- und Inklusions-Debatten im Actionfilm Immigration Game (D 2017) als Menschenjagd, der demographische Wandel im Horrorfilm Old People (Netflix 2022) mit Zombie-Rentner*innen verhandelt. Damit sprechen die Genrefilme ein anderes Publikum an und machen auch andere Rezeptions- und Sinnangebote.
Bisher umfasst das Forschungsprojekt:
Monographie zum Neuen Deutschen Genrefilm
Derzeit bereitet Peter Scheinpflug eine Monographie zum Neuen Deutschen Genrefilm vor, die erstmals umfassend die Genealogie dieser jüngsten Ära der deutschen Filmgeschichte, ihre wirtschaftlichen Bedingungen und Strukturen, ihre ästhetischen und narrativen Innovationen, ihre politischen Ansprüche, die in den Genrefilmen verhandelten Themen und schließlich Tendenzen und Potentiale für die deutsche Filmindustrie der Zukunft aufarbeiten wird.
Für die Durchführung des Projektes hat Peter Scheinpflug eine Förderung bei der DFG beantragt.
bisherige Aufsätze zum Neuen Deutschen Genrefilm
- „Der Heimatwestern, oder: der Chronotopos par excellence des Neuen Deutschen Genrefilms?“. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen, 262:1 (2025, im Druck)
- „Der DDR-Film als deutsches Staatsgenre: Wie 2018 im Kino um die Deutungshoheit über die DDR gekämpft wurde mit BALLON (D/F/USA 2018, R: Michael Herbig) und GUNDERMANN (D 2018, R: Andreas Dresen)“. In: Irina Gradinari und Michael Niehaus (Hg.): Staatsgenre. transcript. Bielefeld. (im Druck).
- „Home is where the horse is, oder: Valeska Grisebachs respektvolle Demontage des Westernhelden in WESTERN (2017)“. In: Corina Erk, Matteo Galli und Jörn Glasenapp (Hg.): Lola, Toni, Yella und die anderen: Der deutsche Film nach 1990. Ein Kanon. Brill Fink. Paderborn 2023. S. 417–434.
- „Vom Multikulti-Witz zur Genre-Politik: Noir und Fremdheit im Neuen Deutschen Genrefilm“. In: Irina Gradinari und Ivo Ritzer (Hg.): Genre und Race. Springer VS. Wiesbaden 2021. S. 207–241.
bisherige Aufsätze zum deutschen Gegenwartsfilm
- „‚Wendepunkt – Weiterfahrt ungefährlich‘. Der Paternoster im deutschen Film und Fernsehen“. In: Nils Jablonski (Hg.): Aufzüge im Film. transcript. Bielefeld. (im Druck).
- „‚Wir können nicht anders‘: Der Weihnachtsmann als Krisenfigur des Patriarchats im aktuellen deutschen Kino- und Fernsehfilm“. In: Andrea Geier, Irina Gradinari und Irmtraud Hnilica (Hg.): Weihnachtsfilme lesen 2: Krisengeschichten. transcript. Bielefeld 2023. S. 201–226.
- „Queering the Christmas Effects: Subversionen von Weihnachten im deutschen Gegenwartsfilm“. In: Andrea Geier, Irina Gradinari und Imtraud Hnilica (Hg.): Weihnachtsfilme lesen. Familienordnungen, Geschlechternormen und Liebeskonzepte im Genre. transcript. Bielefeld 2022. S. 235–255.
bisherige Vorträge zum Neuen Deutschen Genrefilm und/
oder zum deutschen Film - „100 Jahre Neue Sachlichkeit! Was ist geblieben im (deutschen) Film?“ Vortrag beim Symposium „100 Jahre Neue Sachlichkeit: Musik – Literatur – Bildende Kunst – Film“ an der Universität Mannheim am 18.01.2025.
- „MISSION: IMPOSSIBLE in Deutschland? Produktionsstrategien von Action wider die Filmförderung“. Vortrag beim „Literatur- und medienwissenschaftliches Kolloquium FREM“ in Freiburg am 20.06.2024.
- „‚Wendepunkt – Weiterfahrt ungefährlich‘. Der Paternoster im deutschen Film“. Vortrag bei der Tagung „Aufzüge im Film“ an der FernUniversität Hagen am 30.11.2023.
- „der Filmkanon. Entwicklung, Funktionen, Gefahren und die politics of academia“. Vortrag an der Universität Mannheim am 26.10.2023.
- „Der DDR-Film als deutsches Staatsgenre: Wie 2018 im Kino um die Deutungshoheit über die DDR gekämpft wurde mit BALLON (2018) und GUNDERMANN (2018)“. Vortrag bei der Tagung „Staatsgenres“ an der FernUniversität Hagen am 29.06.2023.
- „‚Wir können nicht anders‘: Der Weihnachtsmann als Krisenfigur des Patriarchats im aktuellen deutschen Film“. Vortrag beim Workshop „Weihnachtsfilme lesen 2: Krisengeschichten“ in Hagen am 12.11.2022.
bisherige Lehrveranstaltungen zum Neuen Deutschen Genrefilm an der Universität Mannheim
- Fack ju Hollywood: Blockbusterkino Made in Germany (FSS 2025)
- Tatort Deutschland: Gesellschaftskritik im aktuellen deutschen Fernsehkrimi / Social Criticism in Contemporary German Crime Television (HWS 2024)
- Neuer Deutscher Genrefilm (HWS 2023)
- Deutschen Film Verstehen: Einführung in die Filmanalyse und den deutschen Film (HWS 2021)