Lemoande Blessing (2025)

Trigger-Warnung: häusliche Gewalt, Missbrauch, Angstzustände, Diskriminierung.
Filmkritik:
Kann man seinen eigenen Weg finden, wenn alle an einem zerren? Diese Frage durchläuft die Tragikomödie Lemonade Blessing (USA, 2025), die mit viel Humor, aber genauso kritischem Auge auf Themen wie Identität, Glaube und Selbstbestimmung blickt. Der Coming-of-Age-Film greift die existenziellen Zweifel auf, die Nietzsche einst mit „Gott ist tot“ zusammenfasste, allerdings auf so gekonnte Weise, dass die 100 Minuten Filmdauer wie im Flug vergehen.
Der streng gläubig erzogene Teenager John Santucci wird auf die katholische Schule St. Dymphna geschickt. „Dymphna is where you meet God“, heißt es dort – doch statt Gott begegnet John der rebellischen Lilith, die ihrem Namen alle Ehre macht. Er fühlt sich, vielleicht gerade deshalb, zu ihr hingezogen und gerät in einen immer tieferen inneren Konflikt. Hin und hergerissen zwischen religiöser Erziehung und Liliths Versuch, ihn eben von dieser abzubringen, wird John zunehmend in einen Strudel radikalerer Entscheidungen gezogen.
Lemonade Blessing ist das Debüt von Regisseur, Autor und Produzent Chris Merola und feierte seine Premiere auf dem Tribeca Film Festival am 5. Juni 2025. Merola selbst besuchte eine katholische Schule und ließ viele eigene Jugenderinnerungen einfließen: Seine Mutter war sehr religiös, sein Vater hingegen gar nicht. So schuf er die Parallelen zwischen ihm und seiner Filmfigur John.
John (Jake Ryan (Moonrise Kingdom)) befindet sich in einem Zwiespalt. Auf der einen Seite Lilith (Skye Alyssa Friedman (Mute)), die verhindern will, dass er sich den alten Strukturen unterwirft, und erreichen will, dass er sich von dem für sie nicht existenten Gott abwendet. Ihr Name ist kein Zufall: Die biblische Lilith, die sich als Adams erste Frau weigerte, sich ihm unterzuordnen, wird im modernen Feminismus als Symbol einer Frau interpretiert, die sich weigert, sich den patriarchalen Strukturen zu unterwerfen. Im Film steht Lilith durch ihren Freiheitsdrang sowie ihren Widerstand gegen traditionelle Frauenrollen und sexuelle Enthaltsamkeit völlig im Gegensatz zu ihrer katholischen Erziehung.
Auf der anderen Seite steht Johns Mutter Mary (Jeanine Serralles (The Woman in the Window)). Als früh von einem Mann, der Religion ablehnt, geschiedene Frau macht sie den Glauben zu ihrem Lebensmittelpunkt. Auch John soll diesen Weg einschlagen. Gleichermaßen ist ihr Name ein Aptronym und verweist klar auf die heilige Maria. John wird Enthaltsamkeit gepredigt und solange gesagt, was richtig und was falsch sei, dass er am Ende fast daran zerbricht. Er merkt, dass ihm der „Me-part“ fehlt: Er versucht, es immer allen recht zu machen und verliert dabei sich selbst.
So werden auch an anderen Figuren Identitätskrisen gezeigt, die geprägt sind durch äußere Erwartungen und gesellschaftliche Zwänge: Konflikte, denen viele Jugendliche ausgesetzt sind. Und über allem schwebt die Frage nach Gott: seiner Existenz, der Wahrheit und der Angst, dass alles, was wir kennen, bloß auf Lügen beruht.
Der Film ist besonders empfehlenswert für Menschen, die ähnliche Zweifel oder Zwänge erlebt haben wie John und verloren zwischen zwei Welten stehen. Zwischen Humor und Ernst findet jede*r etwas, das berührt oder zum Nachdenken anregt.
Der Film wurde auf dem IFFMH vorgeführt und ist noch nicht auf einer Streaming-Plattform verfügbar.