Unsere Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen der deutschen, britischen und amerikanischen Geschichte in internationaler, transnationaler und globaler Perspektive, vom späten 18. Jahrhundert bis ins frühe 21. Jahrhundert.
Das derzeitig zentrale Forschungsfeld ist das Verhältnis von Nationalstaat und Globalisierung, vor allem seit 1990, aber auch dessen Vorgeschichte seit dem 19. Jahrhundert. Teilaspekte sind die Bedeutung des nationalen Denkrahmens für die liberale Demokratie, die Verbindung von Staat und Gesellschaft im nationalen Rahmen, der Wandel des Staats- und Gesellschaftsbegriffs, die Erosion des Nationalstaats als soziales Imaginäres bzw. als gedachte Ordnung, sowie die Historisierung des nationalen Geschichtsdenkens. Methodisch werden dabei Perspektiven der Globalgeschichte auf den Nationalstaat und die nationale Ordnung als Gegenstände angewendet. Die Analysekategorie des Nationalen wird damit selbst zum Gegenstand der Untersuchung gemacht.
Das Promotionsprojekt untersucht die Transformation Ostdeutschlands nach 1989/
Das Promotionsprojekt untersucht, wie linke Globalisierungskritiker in den 1990er und 2000er Jahren auf die wahrgenommene „Erosion der nationalen Ordnung“ reagierten und vor diesem Hintergrund ihre handlungsleitenden Ideen und Lösungsstrategien entwickelten. Die ökonomischen Prozesse von Entgrenzung und Verflechtung, so die Wahrnehmung, entzogen sich zunehmend der Kontrolle der national organisierten Gesellschaften und untergruben dadurch die Fundamente jeder demokratischen Selbststeuerung. Die Globalisierungskritiker nahmen die Welt nicht mehr als ein Nebeneinander von territorial begrenzten Gesellschaften wahr, sondern sie machten den gesamten Globus als einen „single independent place“ (Manfred Steger) zum Referenzpunkt ihres politischen Denkens und Handelns. Das Projekt fragt nach den handlungsleitenden Ideologien und Ordnungsvorstellungen der Akteure. Methodisch folgt die Untersuchung dabei dem Ansatz der Neuen Ideengeschichte, die um eine hegemonietheoretische und globalhistorische Perspektive erweitert wird.
Die Bezeichnung PMC beschreibt einen privatwirtschaftlich strukturierten Personenzusammenhang, der im Rahmen einer staatlich-privaten Kooperation bestimmte Funktionen der Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols übernimmt. Private Militärdienstleister treten erstmals in den 1960ern auf, expandieren seitdem kontinuierlich sowohl in ihrer Anzahl als auch beim Personal, welches nahezu ausschließlich aus ehemaligen Soldaten besteht. Die Funktion der privaten Militärdienstleister verweist auf eine neue Konfiguration von diffundierter Staatlichkeit, die sich unter den Bedingungen des Kalten Krieges entwickelte. Innerhalb eines politisch definierten ideellen Referenzrahmens kooperierten seitdem eine Kombination von öffentlichen Institutionen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, kollektiven und individuellen Akteuren auf bestimmten Problemfeldern. PMCs fungierten dabei als Goverance Akteure, die innerhalb eines politischen Netzwerkes an militärischen Governance Prozessen, vornehmlich im nationalen Rahmen, seit den 1980ern aber auch in transnationalen Netzwerken, partizipierten. Das Erkenntnisinteresse der Arbeit ist es, mithilfe der Geschichte der ersten Generation privater Militärdienstleister den mit der Neustrukturierung des Gewaltmonopols einhergehenden Wandel von Nationalstaatlichkeit im militärischen Bereich anhand der zugrundeliegenden politischen Ordnungsvorstellungen zu analysieren.
Im Mittelpunkt des Forschungsvorhabens „Nationalisierung vor Ort: Das Meldewesen im Deutschen Kaiserreich“ steht das Meldewesen als staatliche Verwaltungspraxis und dessen Rolle im nationalstaatlichen Unitarisierungsprozess. Die Auswertung und der Vergleich von Polizeiverordnungen zum Meldewesen und den Melderegistern soll zeigen, inwieweit das Meldewesen als Reaktion auf strukturelle Veränderungen gesehen werden kann, die sich im Prozess der Nationalisierung herausgebildet und verstärkt haben und zum Problem wurden. Als Beispiel ist hier die gestiegene Mobilität und damit einhergehend die Binnenmigration zu nennen, die die Einzelstaaten und Kommunen im Nationalisierungsprozess vor große Herausforderungen stellte. Daher soll die Rolle staatlicher Verwaltungspraktiken, hier des Meldewesens, im Nationalisierungsprozess vor dem Hintergrund der ausgeprägten föderalistischen Tradition im Deutschen Kaiserreich untersucht werden.
Sektion „Denationalisierung als Gegenstand und Perspektive der Zeitgeschichte“ auf dem 53. Deutschen Historikertag, 5.–8. Oktober 2021, München. Das Programm und die Anmeldung zur Fachsektion finden Sie hier.
Der zweite Forschungsschwerpunkt widmet sich dem Stellenwert von Religion in der europäischen ‚Moderne‘ in der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Im Zentrum steht die Frage, wie auf ideenhistorischer Ebene der Stellenwert von Religion als Weltdeutungssystem neu definiert wurde und wie religiöse Akteure in politischen Auseinandersetzungen ihren gesellschaftlichen Platz neu fanden.
Das Habilitationsprojekt untersucht anhand der Debatte um die historisch-kritische Bibelforschung die unterschiedlichen Facetten religiös-historischen Denkens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In den Konflikten zwischen wissenschaftlicher Deutung, politischer Einschränkung und theologischer Verortung wurde Religion in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Konzept neu definiert, in ihrem Geltungsbereich privatisiert und historisch-soziologisch als gesellschaftliches Teilsystem eingehegt. Diese konzeptionelle Einhegung von Religion in eine historistische Weltsicht verlief zeitgleich zu einer zunehmenden Professionalisierung des Wissenschaftsbetriebs und der Verfestigung der disziplinären Trennung von Natur- und Geisteswissenschaften in separate wissenschaftliche Gemeinschaften. Das Wissenschaftsverständnis, das sich entlang dieser Auseinandersetzungen herausbildete, war grundlegend historisch-evolutionär gedacht, säkular verstanden und dem Fortschritt verpflichtet. Diese Auseinandersetzung war damit, so die These, grundlegend für den am Ende des 19. Jahrhunderts geprägten Diskurs der Moderne, in dem Säkularität zu einem grundlegenden Merkmal erhoben wird, die Entwicklung dahin jedoch als ein Prozess betrachtet wird, der – und das ist zentral – historisch abläuft.
In diesem Dissertationsprojekt soll es um das Verhältnis von Katholischer Kirche und nationalstaatlichen Instanzen im Prozess der Nationalisierung der italienischen Gesellschaft gehen. Beide Institutionen beanspruchten, die Wertewelt und die innere Ordnung der neugegründeten italienischen Gesellschaft zu bestimmen – einer Gesellschaft, die sehr inhomogen und divers war und nun zu einer möglichst homogenen sprachlichen, kulturellen und Werte-Gemeinschaft geformt werden sollte, die als politische Gemeinschaft den jungen Nationalstaat tragen sollte. Wie interagieren Staat und Kirche bei diesem Unterfangen? Besteht ein Konkurrenzverhältnis, gar ein Primatsanspruch, und wo kommt dieser zum Ausdruck? Welche Ordnungspraktiken, welche Felder der Intervention und welche Akteure lassen sich in diesem Kontext in beiden Institutionen ausmachen?
Almuth Ebke: Organisation des internationalen Workshops Conceptualising Modernity. An interdisciplinary dialogue in Kooperation mit Dr. Christoph Haack und dem SFB 923 „Bedrohte Ordnungen“ an der Universität Tübingen, 9./10. Dezember 2021.
Das Verhältnis von Globalgeschichte und Nationalgeschichte in der gegenwärtigen Geschichtswissenschaft bildet den dritten Forschungsschwerpunkt des Lehrstuhls. Die Abgrenzung von der Nationalgeschichte, von ihren Gegenständen, Ansätzen und Methoden, ist wesentlich für die Definition und das Selbstverständnis der Globalgeschichte. Jedoch müsste ein Überwinden des nationalen Rahmens in der Geschichtsschreibung deutlich mehr umfassen als die Frage der Flughöhe, der Skalierung, des räumlichen Zuschnitts der Untersuchung. Eine Denationalisierung des historischen Blicks müsste vielmehr nicht-eurozentrische und postkoloniale Perspektiven auf bisher von der Globalgeschichte vernachlässigte Gegenstände wie den Staat und die Gesellschaft mit einschließen.