Julia Faulhaber ist Doktorandin am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte. Sie studierte Geschichte und Englisch an der Universität Mannheim. Seit 2021 ist die freie Journalistin als Nachrichtenredakteurin für den SWR Hörfunk tätig. Im Rahmen ihrer Arbeit als Hörfunk-Journalistin entwickelte sich auch ihr Forschungsinteresse für das Radio als identitätsstiftendes Medium.
Wiedervereinigung im Rundfunk: Gesellschaftsbild und nationale Identität im SFB und ORB nach 1990
Das Dissertationsprojekt beschäftigt sich mit den im öffentlich-rechtlichen Hörfunk vermittelten nationalen Zugehörigkeitsvorstellungen in der Zeit nach der Wiedervereinigung. Im Zentrum des Projekts steht die mediale Kooperation der Rundfunkanstalten Sender Freies Berlin (SFB) und Ostdeutscher Rundfunk Brandenburg (ORB), sowie die ersten Jahre nach ihrer Fusion zum Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). Die zentrale Fragestellung lautet: Welche Zugehörigkeitsvorstellungen setzten sich nach der Wiedervereinigung in den Redaktionen durch und wie veränderte sich das medial gezeichnete Gesellschaftsbild im Untersuchungszeitraum? In der Transformationszeit nach 1989 vermittelten die Medien die Umbrüche und tiefgreifenden Veränderungen, die vor allem für die Menschen in Ostdeutschland spürbar waren. Besonders repräsentativ für diesen bundesweiten Prozess war die Region Berlin-Brandenburg. Dort sollten die Rundfunkanstalten SFB und ORB das Zusammenwachsen der Region durch gemeinsame Programme fördern und der neuen Hauptstadtregion medial gerecht werden – und damit Hörer*innen erreichen, die unterschiedlich sozialisiert worden waren. Das Dissertationsprojekt will vorrangig die medialen Produkte, die sich an eine imaginierte vereinte Gesellschaft richteten, untersuchen. Als Quellengrundlage dienen hauptsächlich archivierte Hörfunkbeiträge, anhand derer Merkmale identifiziert werden sollen, die Teil eines nationalen Selbstbilds in der Zeit nach der Wiedervereinigung bis in die Mitte der 2000er Jahre waren. Durch die Methode der Oral History sollen auch die Erfahrungen der Redakteur*innen im Kontext des Transformationsprozesses berücksichtigt werden. Die Arbeit will mit einem Ansatz der neueren Ideengeschichte klären, wie der Hörergruppe durch redaktionelle Beiträge ein Verständnis eines nationalen Kollektivs vermittelt wurde. Ziel ist es, die durch die Medien erfolgte Interpretation der Wirklichkeit und die Narrative, die dem nationalen Selbstbild zugrunde lagen, zu historisieren. Dabei fragt das Projekt nach nationaler Identität aus dem Blickwinkel der Exklusion: So soll sich die Untersuchung auf Migrant*innen und Ostdeutsche als im öffentlichen Diskurs bis heute negativ porträtierte Kollektive konzentrieren.