Zur Person
Dr. Sina Steglich war von 2018 bis 2020 als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Konstanz und von 2020 bis 2023 am DHI London tätig. Seit dem Sommersemester 2023 arbeitet sie als akademische Rätin a.Z. am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte, Ludwig-Maximilians-Universität München.
Dissertation
„Zeitort Archiv. Etablierung und Vermittlung geschichtlicher Zeitlichkeit im 19. Jahrhundert“ (im September 2018 verteidigt)
Das Archiv ist ein Ort der Zeit. Die sich ab dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts verdichtende Einrichtung staatlicher Archive im Zusammenhang mit dem Ausbau des hochmodernen Staates in Europa ist Ausgangspunkt der Untersuchung. Parallel dazu verlief die durch den Historismus motivierte Öffnung des Archiv-Arkanums für die Forschung. Leitend ist dabei die These, dass die Ordnung von Zeit ein von der Forschung bislang kaum beachtetes Definiens und zugleich grundlegender Faktor „der Moderne“ ist. Das Projekt fragt daher, inwiefern durch Systematisierung und Erschließung der Bestände, wissenschaftliche Nutzung sowie Publikationen aus staatlich-zentralisierten Archiven heraus Entwürfe geschichtlicher Zeitlichkeit hervorgegangen sind und welche chronopolitische Dimension diesen Praktiken eingeschrieben war. Das staatliche Archivwesen, dessen Ausbau im Verlauf des 19. Jahrhunderts in ganz Europa kulminierte, wird dabei als Chiffre gelesen: So richtet sich das erkenntnisleitende Interesse nicht auf die institutionelle Innenperspektive einer speichernden Staatstätigkeit. Vielmehr soll das Archiv als transnationales Symptom des von Zygmunt Bauman dargelegten modernen Ordnungsbewusstseins gelesen werden. In dem Maße, wie die Zeit metaphysisch und religiös bereinigt wurde, avancierte ihre Handhabung und Gestaltung zu einer drängenden Herausforderung. Vor diesem Hintergrund ließe sich das Archiv als eine Einrichtung zur Homogenisierung gesellschaftlicher Zeitvorstellungen begreifen, die als Synchronisierungsinstanz entscheidend dazu beitragen konnte, nationale Bindekräfte zu stärken.
Die Dissertation wurde durch die Studienstiftung des deutschen Volkes, dem DHI London, dem DHI Paris und dem Leibniz-Institut für Europäische Geschichte in Mainz gefördert.