Die Erforschung des antiken Sports

Die Geschichte des Sports ist lange Zeit als marginale Spielerei belächelt worden, doch inzwischen bestreitet niemand mehr, dass Sport für die Geschichts­wissenschaft ein zentraler Forschungs­gegenstand ist. Die immense Bedeutung von sportlichem Wettkampf für die Gesellschaft wird jedermann im Alltag, besonders aber bei globalen Großereignissen wie Olympischen Spielen oder Fußball-Weltmeisterschaften vor Augen geführt: Kaum ein anderer Anlass vereinigt so viele Menschen in Stadien und vor den Bildschirmen, und nirgendwo sonst werden Spannungen und Ambivalenzen in Gesellschaften so unmittelbar sichtbar: Sport steht ebenso für Völkerverständigung wie für die Pflege von Feindbildern, ebenso für Gleichheitssemantik wie für Diskriminierung, ebenso für Verständigung auf geschriebene und ungeschriebene Regeln wie für nackten Pragmatismus.

Sport wurde und wird in allen menschlichen Gesellschaften betrieben, aber nirgendwo war die gesellschaft­liche Bedeutung des Sports so groß wie im antiken Griechenland. Der Wert eines Mannes erwies sich in der griechischen Vorstellung gerade durch seine körperliche Leistungs­fähigkeit, erfolgreiche Athleten wurden in ihrer Heimat gefeiert und genossen Ruhm in der ganzen griechischen Welt. Sport war ein beliebtes Sujet in der antiken Literatur und Bildkunst: Das größte erhaltene Corpus griechischer Lyrik klassischer Zeit sind die Siegeslieder Pindars für siegreiche Athleten, Darstellungen von Athleten bilden ein häufiges Motiv auf Vasen, und nach Pausanias' Beschreibung Griechenlands handelte es sich bei den Siegerstatuen in Olympia um die bedeutendste Statuensammlung der Antike. Angesichts dieser überragenden gesellschaft­lichen Bedeutung ist der Sport gerade in der Alten Geschichte ein lohnenswerter Untersuchungs­gegenstand.

Mannheim ist eines der führenden Zentren für die Erforschung des antiken Sports. Dabei gelten die Mannheimer Forschungen nicht einer Rekonstruktion von Bewegungs­abläufen, sondern kultur- und sozialgeschichtlichen Fragen: Aus welchen Schichten stammten die Athleten? Wer durfte an sportlichen Wettkämpfen teilnehmen, wer war ausgeschlossen? War ein sozialer Aufstieg durch sportliche Erfolge möglich? Wie waren die Athleten organisiert? Führten sportliche Wettkämpfe, in denen sich die Teilnehmer als prinzipiell gleich anerkennen, zu einer Demokratisierung der Gesellschaft? Mit welchen als typisch männlich angesehenen Eigenschaften wurde Sport verknüpft, und welche Bedeutung hatten weibliche Athleten? Welchen Einfluss übten politische Autoritäten auf sportliche Wettkämpfe aus? Dies sind nur einige der Fragen, die in Mannheim in Forschung und Lehre behandelt werden.

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