Jenseits der Skandalgeschichten

Die Mannheimer Münzsammlung als Quelle für die Geschichte der Frauen am Kaiserhof

Die Geschichte meint es nicht gut mit Frauen. Abgesehen davon, dass sie auch in der Antike von weiten Teilen des gesellschaft­lich-politischen Lebens ausgeschlossen blieben und äußerst selten einmal politischen Einfluss geltend machen konnten, interessierten sich die ausschließlich männlichen Geschichtsschreiber der Antike kaum für weibliche Handlungs­spielräume. Eine Ausnahme bilden die Frauen, Mütter, Schwestern und Töchter römischer Kaiser. Meistens tauchen sie aber dann in den Berichten auf, wenn sich über ihr vermeintlich unsittliches Verhalten brüskiert oder von ihrer Ermordung berichtet wird. Mit Agrippina der Älteren, ihren Töchtern Livilla und Agrippina der Jüngeren, Caligulas Ehefrau Milonia Caesonia, Claudius‘ Gattin Messalina und Neros Frau Octavia fand in der julisch-claudischen Dynastie eine Vielzahl der Frauen mit engem Verhältnis zum amtierenden Kaiser einen gewaltsamen Tod.

Häufig sind solche Berichte von, gelinde gesagt, aus heutiger Sicht problematischen Erwartungen gegenüber Frauen geprägt. Es ist wohl kein Zufall, dass die politisch aktivste Frau der frühen Kaiserzeit, Caligulas Schwester, Claudius’ Gattin und Neros Mutter Agrippina die Jüngere, besonders übel davonkommt. Neben einigen Morden wird ihr allgemein ein herrschsüchtiger Charakter vorgeworden. Zusätzlich spiegeln die literarischen Quellen für Agrippina ein weiteres klassisches Diffamierungs­muster: Der öffentlich auftretenden Kaiserfrau und –mutter wird unterstellt, dass sie sich nicht nur beim Onkel, ja sogar bei ihrem eigenen Sohn Einfluss durch sexuelle Annäherung verschafft haben soll. Agrippinas Einfluss ist trotz allem unbestreitbar und wird auch auf römischen Münzen aus der frühen Regierungs­zeit Neros sichtbar. Tatsächlich konnten die Frauen des Kaiserhauses über enge Kontakte zu Entscheidungs­trägern durchaus Einfluss nehmen: Agrippina beispielsweise kannte den wichtigen Finanz­beamten Pallas seit ihrer Kindheit im Haus der Antonia Minor (siehe unten) und am Kaiserhof war er einer ihrer engen Vertrauten. Liesbeth Claes schlug 2014 vor, dass Agrippinas baldiges Verschwinden von Münzbildern auch mit der Entlassung des Pallas durch Nero zusammenhing (vgl. auch Hekster et. al 2014). Dass Agrippina sich mit einer passiven Rolle nicht abfinden konnte, endete für sie bekanntermaßen tödlich.

Nicht nur im Fall Agrippinas können Münzen das teils irreführende Bild der historiographischen Darstellung aufbrechen und wesentlich ergänzen. Auch wenn die Münzbilder keine weibliche Perspektive auf die Kaiserherrschaft bieten können, liefern sie doch authentische Informationen über die Stellung der Frauen in der Außen­darstellung der Kaiser, die unabhängig von einer späteren Bewertung oder dem höfischen Klatsch sind – und über die sich bei einer gründlichen Betrachtung der Prägekontexte auch Weiteres ableiten lässt. Für die Erforschung der Rolle der Frauen im Kaiserhaus sind Münzen somit eine wichtige und noch längst nicht ausgeschöpfte Quelle. Die Frage lautet dabei: Wann und vor allem auch wie tauchen Frauen auf diesem Medium kaiserlicher Außen­darstellung auf?

Während Caligulas Schwestern als unpolitische Personifikationen der Sicherheit (securitas), Eintracht (concordia) und des glücklichen Schicksals (fortuna) gemeinsam das Revers eines Sesterzes zieren, nehmen andere Frauen auch die Position des Kaiserportraits selbst ein und verleihen der Münze damit ihre eigene Autorität. Während Augustus’ Ehefrau Livia unter ihrem Mann und Sohn niemals eine solche Stellung einnimmt, ist ein bemerkenswertes, frühes Beispiel Antonia Minor, Tochter des Triumvirn Antonius und der Octavia, Schwester des Augustus. Ihr Portrait auf dem Avers zahlreicher Münzen, die unter ihrem Sohn Claudius geprägt wurden, belegt, dass sie eine ausgesprochen bedeutende Rolle eingenommen haben muss. Ihr Haus in Rom war Treffpunkt wichtiger und reicher Männer. Der Hausherrin mit der berühmten Abstammung, Mutter auch des berühmten Feldherren Germanicus und Ziehmutter des Caligula und seiner Schwestern, kam dabei offenbar eine so zentrale soziale Funktion zu, dass man davon ausging, dass ihr Bild auf Münzen in Edelmetall wie auch in der alltäglichen Bronzewährung eine positive Wirkung in der Außen­darstellung kaiserlicher Autorität haben würde. Bemerkenswert ist jedoch, wie sehr ihre Gesichtszüge denen des Augustus angepasst werden – die Vereinnahmung ihrer Person durch die Dynastie tritt hier eindrücklich ins Bild. Während Bildnisse in Stein eine deutliche Ähnlichkeit zu dem eher kantigen Gesicht ihres Vaters Antonius aufweisen (vgl. ihr Portrait im Palazzo Massimo), könnte der Antonia-Denar in der Mannheimer Münzsammlung (Inv.nr. 5Vgl. auch dieses Exemplar) auf den ersten Blick gar für ein Portrait des Augustus gehalten werden – wäre da nicht das im Nacken zusammengebundene Haar.

Während die Rolle der weiblichen Mitglieder des Kaiserhauses im 1. Jahrhundert n. Chr. noch merklich flexibel ist, nehmen sie ab Ende des Jahrhunderts und insbesondere ab den sogenannten „Adoptivkaisern“ eine konstante Rolle in der Außen­darstellung der Kaiserfamilien ein. Als Symbole für die Stabilität und göttliche Aura der Dynastie spielen Frauen, Mütter und Töchter eine große Rolle. Die vermehrte Abbildung von Familien­mitgliedern ist dabei mit der verstärkten Propagierung der Göttlichkeit der Kaiserfamilie in Verbindung zu bringen und setzt mit Titus und Domitian ein (Vgl. Hekster 2009). Letzterer knüpft nicht nur an den vergöttlichten Vater und Bruder an, für die er den Familientempel vollendete, sondern lässt auch seine Ehefrau Domitia und den früh verstorbenen Sohn als Kleinkind auf Münzen prägen (RIC II,1² 152). Ab Trajan steigt die Zahl der abgebildeten Frauen exponentiell, gleichzeitig wird die Vergöttlichung von Familien­mitgliedern Standard.

In Mannheim verfügen wir über eine kleine aber feine Sammlung von antiken Münzen mit Frauenportraits. Ihren Anfang nahm Sammlung mit der Pädagogikprofessorin Elfriede Höhn. Die testamentarische Schenkung ihrer 73 Münzen im Jahr 2003, legte den noch heute bestehenden, thematischen Schwerpunkt der Sammlung fest. Viele Münzen mit Frauenportraits in der Mannheimer Sammlung können als Ausgangspunkt für ihre ganz eigenen Geschichten dienen: So bot für Hadrian die nahe Verwandtschaft seiner Frau Sabina (Inv.nr. 14–16) zu Trajan enormes Legitimations­potenzial. Iulia Domna (Inv.nr. 34) tritt in einem vermeintlich eher männlichen Themenfeld als „Mutter der Feldlager“ auf und auch die zeitweise wichtige Stellung der Fulvia Plautilla, die aus strategischen Gründen von ihrem einflussreichen Vater, einem Prätorianerpräfekten, mit dem ältesten Sohn des Kaisers Septimius Severus verheiratet wurde, ist auf Münzen festgehalten. Auf dem Revers des Denars (Inv.nr. 37) reicht sie ihrem Ehemann Caracalla inmitten der Umschrift „der ewigen Eintracht“ (concordia aeterna) die Hand – der soll sie jedoch gehasst und später verbannt haben, direkt nach seinem Regierungs­antritt ließ er sie ermorden.

In den letzten Jahren sind gerade im Bereich der digitalen Numismatik riesige Fortschritte erzielt worden. Anhand großer Datenbanken wie Online Coins of the Roman Empire (OCRE) können nun Materialmengen eingesehen und systematisch durchsucht werden, für die Forscher*innen früher jahrelang umherreisen mussten. Auf nationaler Ebene und im Bundes­land wollen Zusammenschlüsse wie NUMiD und der Numismatische Verbund Baden-Württemberg (NVBW) auch das in den Sammlungen der Universitäten liegende Material digital zugänglich machen. Unsere – Elfriede Höhns – Kaiserfrauen sind mittlerweile über ikmk.uni-mannheim.de öffentlich einsehbar und auch in OCRE überspielt.

Mareile große Beilage und Verena Böckle, 24. Mai 2019

Mareile große Beilage promoviert am Lehr­stuhl für Alte Geschichte der Universität Mannheim und schreibt ihre Dissertation zu den römischen Kaisermünzen des 1. Jahrhunderts.

Verena Böckle studiert den Master Geschichte an der Universität Mannheim und ist als Hilfskraft mitzuständig für die Betreuung der Münzsammlung.

 

Weiterführende Literatur:

Claes, Liesbeth: A note on the coin type selection by the a rationibus; in: Latomus 73 (2014), 163–173.

Hekster, Olivier et al.: Nero’s ancestry and the construction of imperial ideology in the early empire. A methodological case study, in: JAHA 1,4 (2014), 7–27.

Hekster, Olivier: Honouring Ancestors: the Dynamics of Deification, in: Olivier Hekster et al.: Ritual Dynamics and Religious Change in the Roman Empire (= Impact of Empire 9), Leiden/Boston 2009, 95–110.

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