Sport bei Pindar

Pindar aus Theben gilt als einer der größten Dichter des antiken Griechenlands. Er schrieb seine Werke in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. Seine genauen Lebens­daten sind aber unbekannt. Die meisten seiner Gedichte sind verloren oder nur in Fragmenten erhalten. Vollständig überliefert sind jedoch seine 45 Epinikien oder Siegeslieder für erfolgreiche Athleten. Mit Pindar und seinem Zeitgenossen Bakchylides erlebte diese Gattung ihren Höhepunkt im 5. Jahrhundert v. Chr.

Epinikien waren bezahlte Auftragswerke, die von Siegern sportlicher Wettkämpfe bestellt wurden. Die Dichter verfassten nicht nur den Text, sondern komponierten auch die Melodie und entwarfen eine Choreographie. Vorgetragen wurden die Epinikien von Chören in der Heimat des siegreichen Athleten, zumeist wohl während einer Prozess­ion, in der man den Athleten in seine Stadt geleitete. Zahlreiche Mitbürger nahmen an der Prozess­ion teil und ehrten damit den Athleten, der Ruhm für die ganze Stadt errungen hatte.

Als Auftragsdichter nahm Pindar auf die Wünsche der Sieger Rücksicht. Im Zentrum jedes Siegeslieds steht der Lobpreis des Auftraggebers, je nach dessen politischer und gesellschaft­licher Stellung werden unterschiedliche Akzente gesetzt: In den Epinikien für Hieron, dem Tyrannen von Syrakus, preist Pindar dessen Herrschaft als segensreich für ganz Sizilien an, in den Liedern für die Athleten von Ägina rühmt er die führenden Kaufmannsfamilien und die Handels­macht dieser Insel. Dem Athener Megakles, der vom Volk verbannt worden war, spendet er Trost und kritisiert die Athener für ihren Neid auf erfolgreiche Einzelne.

  • QUELLE: Pindar, Pythische Ode 25–46

    In seiner zweiten Pythischen Ode, die ein Loblied auf Hieron für seinen Sieg im Wagenrennen in Delphi darstellt, verwebt Pindar den sportlichen Sieg des Tyrannen von Syrakus mit dem Mythos des Typhon:

    Jener Wurm (Typhon) aber schickt des Hephaistos schrecklichste Feuerströme
    empor; ein ungeheuer
    Wunder zu schauen
    ein Wunder auch von denen, die da waren, zu hören,
    wie er zwischen des Aitna schwarzblättrigen Gipfel  eingebunden
    und seinen Boden; sein Lager aber einritzend den ganzen
    aufliegenden Rücken ihn stachelt.
    Es möge, Zeus, es möge dir gefallen,
    der du dies Gebirg obwaltest, der fruchtreichen Erde Stirn, mit der gleichnamig
    die Stadt, die der ruhmreiche Gründer berühmt machte,
    die Nachbarin, die auf delphischer Bahn
    der Herold ausrief
    sie  verkündend im Auftrag Hierons, des schön siegenden
    im Wagen. Seebefahrenden Männern ist eine erste
    Freude, wenn zur Fahrt am Anfang kommt geleitender
    Fahrwind; denn das verspricht,
    auch am Ende bessere Heimkehr zu erlangen; das Wort lässt bei diesem doppelten Glücksfall erhoffen, dass auch zukünftig sie durch ihre siegbekränzten Pferde berühmt ist und mit wohltönenden Festen einen Namen hat.
    Lykier, Herr über Delos,
    Phoibos, der du des Parnassos Quelle Kastalia liebst,
    mögest Du darauf bedacht sein und auf ein männergesegnestes Land! 
    denn von den Göttern her erwachsen alle Wege zu der Sterblichen Taten, werden sie weise, an Händen kräftig und zungenfertig.
    Wenn jenen Mann ich preisen will, hoffe ich,
    dass den erzwangigen Speer ich nicht gleichsam
    zu kurz werfe, mit der Hand ihn wuchtend,
    sondern weit schleudernd die Gegner übertreffe.
    Wenn doch die ganze Zeit Segen so gewiss
    und an Gütern rechte Gabe gäbe,
    jedoch der Krankheit Vergessen gewährte!

    Die Ode erzählt von dem Ausbruch des Ätna 476/475 v. Chr. Der Vulkanausbruch veranlasste Hieron, die Stadt Aitne an der Stelle der Stadt Katane in unmittelbarer Nähe des Vulkans zu gründen. Über Typhon, ein Ungeheuer mit hundert Drachenköpfen und Schlangenfüßen, berichtet Pindar in einer anderen Ode, dass Zeus ihn besiegt und unter dem Ätna begraben hätte. So ist er verantwortlich für die Vulkanausbrüche. Pindar nutzt Sport in dieser Ode nicht nur als Zeichen für den Ruhm Hierons, sondern auch als Metapher für seine eigene Position als Dichter: seine Ode soll ein Speer sein und Pindar der Speerwerfer. Er will die Ode nutzen, um Hierons Feinde zu übertreffen.

    (Übersetzung übernommen von Gottwein)

Pindar liefert jedoch keine plumpe Propaganda, dazu sind seine Sprache und Gedankenführung zu komplex. Er verbindet den Lobpreis für den siegreichen Athleten vor allem mit Mythenerzählungen und allgemeinen Reflexionen über Lebens­fragen. Sein Werk enthält deshalb nur wenige konkrete Informationen zum Ablauf von Sportwettkämpfen. Für die gesellschaft­liche Bedeutung von Sport und Sportlern ist er hingegen eine äußerst wertvolle Quelle.

Christian Mann

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