Kontakt – Lehrstuhl für Mehrsprachigkeitsdidaktik
Der frühe Erwerb mehrsprachiger Kompetenzen gewinnt im Rahmen von Globalisierung und einem zusammenwachsenden Europa zunehmend an Bedeutung. Traditionelle Formen der Fremdsprachenvermittlung greifen für die angestrebten Kompetenzen jedoch zu kurz. Eine zentrale Forderung europäischer Sprachenpolitik zielt aus diesem Grund auf innovative Vermittlungskonzepte von Fremdsprachen, die eine stärkere Förderung von mehrsprachigem Lernen bereits im frühen Kindesalter vorsehen (Eurydice & Eurostat 2012).
Intensive Formen von bilingualem Lernen stellen die weltweit effektivste Form der Vermittlung fremdsprachlicher Kompetenzen dar (Wode 1995). Allen Formen ist gemeinsam, dass Sachinhalte nichtsprachlicher Fächer in einer Fremdsprache vermittelt, und damit Inhaltslernen und Sprachlernen miteinander verknüpft werden. In unterschiedlichen Kontexten unter verschiedenen Begrifflichkeiten gefasst, ist bilinguales Lernen in Immersionsprogrammen insbesondere in Kanada bisher am intensivsten untersucht worden (Wesche 2002). Den Ergebnissen zufolge fördert Immersion nicht nur die Fremdsprachenkompetenz, sondern auch die Muttersprache, das Sachfachlernen und die allgemeine Kognition. In Deutschland ist vor allem der Begriff /Bilingualer Sachfachunterricht /insbesondere in der Sekundarstufe verbreitet. Im europäischen Kontext hat sich der Begriff CLIL -- Content and Language Integrated Learning als ein Überbegriff für alle Formen bilingualen Lernens etabliert.
Die Einführung von CLIL wird seit über einer Dekade in der europäischen Bildungspolitik propagiert (European Commission 2003, Council of the European Union 2005). Gelingende Praxisbeispiele[1] überzeugen auch in Deutschland Lehrer, Eltern und Kinder zunehmend. Die Sprachkompetenz der Kinder am Ende der immersiven Grundschule ist so hoch, dass sich die Kinder oft fließend, wenn auch nicht fehlerfrei, ausdrücken können. Jedoch hat trotz intensiver Förderung des Konzepts die Umsetzung in den Mitgliedstaaten erst begonnen. Dies trifft auch auf Deutschland zu. Insbesondere die Grundschulen wurden in den einzelnen Bundesländern bisher kaum erreicht. Von einem flächendeckenden Bekanntheitsgrad ist noch nicht die Rede. Auch in der Lehrerausbildung hält das Konzept erst langsam Einzug.
Die Forschung zu den Herausforderungen von CLIL in Deutschland und Europa befindet sich erst am Anfang. Es ist daher Ziel des Projekts, diese Entwicklungen (I) in der regionalen Verbreitung, (II) der lokalen Umsetzung und (III) des individuellen Umgangs mit CLIL durch Lehrkräfte in Niedersachsen detailliert in den Blick zu nehmen und Maßnahmen in Bezug auf alle Akteure zu identifizieren, den Weg in gelingende CLIL-Programme zu ebnen. Auf diese Weise soll, zunächst im kleinen Umfeld und dann durch nationale und internationale Kontakte zunehmend überregional, Lehrkräften geholfen werden, eine immer größer werdende Anzahl von jungen Lernern in ihrer mehrsprachigen Kompetenz zu fördern.
Das Projekt ist interdisziplinär angelegt und kombiniert sprachwissenschaftliche, fachdidaktische und entwicklungspsychologische Ansätze. Es ist in drei Teilstudien gegliedert, deren Fokus eng miteinander verzahnt ist. Das methodische Vorgehen verbindet quantitative und qualitative Ansätze. Neben dem flächendeckenden Einsatz von Fragebögen für Lehrkräfte und Schüler kommen detaillierte Interviews in einer longitudinalen Fallstudie zum Einsatz. Die Grundlage für diese Studie bildet intensive begleitende Beobachtung. Eine wissenschaftliche Begleitung mit Fortbildungen der betreuten Lehrkräfte sorgt für eine enge Verknüpfung von Theorie und Praxis und der gemeinsamen Erarbeitung von best practice Beispielen bei der Implementierung von CLIL an niedersächsischen Grundschulen.
Das Projekt wird vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur (Programmausschreibung PRO*Niedersachsen) gefördert und hat eine Laufzeit von drei Jahren.
Lydia Schmieder |
[1] Zur praktischen Anschauung s. z.B. Unterrichtsausschnitte der Leinebergschule Göttingen oder der Hügelschule in Tübingen.